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Der letzte Drache

Der letzte Drache

Titel: Der letzte Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Schneider
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so macht.” Das Lachen blieb aus, Baldur sah den Drachen überrascht aus. Er wirkte nun sogar ein wenig traurig.
    “Fafnir, was ist mit dir? Ist alles in Ordnung?” Auch Ella war aufgefallen, dass der Drache sehr ernst, betrübt, gesprochen hatte.
    “Ach”, jetzt seufzte er so sehr, dass die ausgestoßene Luft eine kleine Strohwolke aufwirbelte, die einen muffigen Duft in der Höhle verstreute, “die letzten Jahre waren für mich nicht einfach.” Er ließ seinen Kopf in den Staub fallen und seine Pupillen starrten zur Decke.
    “Ich hab es nicht leicht.” Wieder stieß er einen Seufzer aus, der sensiblen Gemütern sogleich Tränen des Mitgefühls in die Augen getrieben hätte. Doch Baldur fand, dass das zu so einem ausgewachsenen Drachen bestenfalls mittelgut passte. Ella war da schon emphatischer.
    “Fafnir, jetzt hast du ja uns, sprich dich aus. Haben dir die Drachenbrüder sehr gefehlt?” Ella legte nun sogar eine Hand auf seinen Kopf und begann ihn sachte zu streicheln, soweit das bei der reptilientypischen Schuppenhaut überhaupt möglich ist. Nun kamen dem Drachen tatsächlich die Tränen, die den staubigen Boden unter seinem Kopf in kürzester Zeit in eine Matschgrube verwandelten. Baldur zog die Bank ein Stück zurück, während Ella den alten Drachen weiterhin tröstete. Da sie sich beim Streicheln aber fast einen Hornspan in die Hand gezogen hätte, tätschelte sie den Kopf nun wie den eines Pferdes mit leichtem Klapsen.
    “Komm, Fafnir, sprich dir deinen Kummer von der Seele.”
    “Ja, wisst ihr, ich habe schrecklichen Hunger. Meine Kräfte schwinden, ich hab bestimmt schon seit ein paar Jahren nichts mehr gegessen, huuu huuuu.”
    “Du Ärmster, vielleicht haben wir noch irgendwo einen Müsliriegel. Magst du das?” Der Drache lief hellgrün an.
    “Pfui Teufel, nein. Wie kommst du denn darauf?” Seine Tränen waren augenblicklich versiegt, der Ekel hatte die Oberhand gewonnen.
    “Oh, Tschuldigung. Ich bin mit dem Drachenspeiseplan nicht vertraut. Was isst du denn so?”
    “Ja, eigentlich ernähre ich mich ausschließlich von einer Sache. Nämlich von Gold.”
    “Na, das nenn ich mal einen exquisiten Geschmack”, warf Baldur zynisch lächelnd ein. “Unser Gold ist leider auch schon alle.”
    “Oh wirklich, ihr hattet Gold dabei?” In Fafnirs Augen erschien ein hungriges Strahlen. Seine lange, schlangenartig gespaltene Zunge zuckte aus seinem Mund, huschte einmal hin und her und verschwand so schnell, wie sie erschienen war.
    “Oh Fafnir, war nur ein Scherz. Menschen essen doch kein Gold.” Baldur stöhnte leicht gequält. Nicht nur, dass ihnen die Polizei auf den Fersen war, eine Rockerbande sie fangen wollte, sie nicht wussten wo sie waren und auch nicht, wohin sie gehen sollten, ihre eigenen Vorräte auch praktisch erschöpft waren. Nun war auch noch der Drache, der bisher das gröbste Unheil von ihnen fern gehalten hatte, dem Hungertot nahe. Baldur stöhnte gleich nochmal. Dabei musste er über sich selbst grinsen, hatte er doch den Drachen für seine Wehleidigkeit grade insgeheim getadelt und war nun selbst kein Deut besser. Fafnir fuhr nun fort.
    “Das ist es ja, das ist ja der Grund, warum Drachen immer so viel Gold haben. Sie suchen sich das zusammen oder gehen ihm nach, weil sie es zum Leben brauchen. Nicht viel, immer nur so ein bisschen. Wir sind genügsame Tiere und kommen mit wenig zurecht. Alle paar Wochen mal ein Grämmchen oder so.” Pause. Fafnir schaute von Ella zu Baldur und zurück. “OK, wenn uns nicht der Heißhunger packt. Zum Beispiel wenn man ganz viel Feuer gespieen hat. Ich hab da schon mal einen ganzen goldenen Krug an einem Stück gegessen. Feuerspeien kostet richtig viel Energie. Ist aber schon lange her. Damals trugen die Menschenmänner noch Röcke, hihi.” Offenbar half es Fafnir, sich seinen Kummer von der Seele zu reden, seine Laune war auf dem Wege der Besserung.
    “Aber auch wenn man nur wenig isst, irgendwann ist auch der größte Goldhaufen alle. Und mir scheint, Gold ist in den letzten Jahrhunderten etwas aus der Mode gekommen. Es wurde richtig schwierig Nachschub zu finden. Wo gibt‘s heute schon noch ordentliche Schätze? Immer wieder erzählen die Menschen von irgend so einer Bank. Das muss eine Art Schloss mit einem großen Schatz sein. Aber ich find die nicht. Und seit die Menschen fliegen können, muss ich so richtig aufpassen. Früher war einfach alles besser. Ich glaube, ich werde alt, buhuhuuu.” Er fing wieder an zu weinen.

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