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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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sich für immer Adieu. Auch der Drache war unterdessen aufgewacht. Er gähnte ein halbes Dutzend Mal, dann wurde er davon unterrichtet, dass er seinen Vulkan ruhig wieder öffnen konnte, seine alten, schmerzenden Glieder und auch seine goldenen Bohnen im Warmen halten konnte für alle Zeit. Die Freude des alten Drachen war so groß, dass er mit dem Schwanz wedelte, wobei drei Stalagmiten und ein Stück Bücherregal zu Bruch gingen. Die Freude brachte außerdem sein Gedächtnis in Bewegung, wie beim kräftigen Umrühren einer Suppe tauchte etwas auf. Nicht sein Name, der war für immer verloren, aber etwas anderes. Er erinnerte sich, dass unter dem großen Tor eine Truhe stand, mit etwas darin, was seinen Bohnen ähnlich sah, aber wenn man es essen wollte, biss man sich die Zähne daran aus. Wie hieß das noch gleich? Ja, dieses Zeug, woraus man Szepter und Kronen machte und schwere Münzen, sie wussten, worum es sich handelte, nicht wahr? Nicht viel: etwa hundert Stück. Konnten sie etwas damit anfangen? Na, dann sollten sie ihm doch den Gefallen tun und das Zeug fortschaffen, dort stand es nur im Weg.
     
     
    Während sie, gefolgt von dem Hund, den langen Weg hinuntergingen, war der Jäger Sajra an den schwierigeren Stellen oft behilflich und reichte ihr die Hand. Dann ließ er ihre Hand nicht mehr los, auch wenn da keine schlüpfrige Stelle und kein Hindernis zu überwinden waren. Sie zog sie nicht zurück. Der Hund trottete zufrieden hinter ihnen her.
    »Wenn du willst, können wir von den Goldstücken, die der Drache uns gegeben hat, ein Stück Land kaufen und glücklich dort leben«, sagte der Mann.
    Die Frau antwortete nicht.
    »Mit einem Weinberg, ein bisschen Getreide, etwas Mais«, fuhr er fort.
    Die Frau blieb stehen. »Und ein paar Hühnern«, sagte sie.
    Der Mann lächelte glücklich und drückte ihre Hand.
    Schweigend gingen sie weiter.
    Sie waren fast am Ende des Abstiegs angekommen, als der Mann erneut zu sprechen begann.
    »Weißt du, heute Morgen, als die Sonne aufging und das erste Morgenlicht auf dich fiel, ähm... nun... da, äähm... ich... da wollte ich dir sagen... dich fragen... ähm... es ist so, dass ich … du... ääääähm... wir... wir könnten... dachte ich... Weißt du, wie schön es ist, wenn der Himmel sich ganz rosa überzieht im Morgenrot, ich meine, wenn wir eine Tochter haben, können wir sie Rosalba, die Morgenröte, nennen.«
    Nicht einmal da zog die Frau ihre Hand zurück.
    »Ein schöner Name«, bestätigte sie mit einem schüchternen Lächeln. Dann überlegte sie es sich: »Wenn wir eine Tochter hätten, könnten wir sie Rosalba nennen «, verbesserte sie.
    Sie wich einem Tritt gegen ihr Schienbein aus.
    Sie lachte.
    Dann umarmten sie sich. Lange verharrten sie in dieser Umarmung. Sie spürten die Wärme des anderen in den Armen. Sie fühlten die Haare des anderen im Gesicht.
    Lang verharrten sie in dieser Umarmung unter dem Himmel, der sein Licht ausgoss über sie, auch weil sie vom ersten Moment an, da sie einander gesehen hatten, Lust dazu gehabt hatten.

ZWEITES BUCH
    Der letzte Drache

KAPITEL 1
    R obi setzte sich auf einen Baumstumpf. Tief atmete sie die frische Luft ein. Sie betrachtete die Bäume unten im Tal, deren Laub sich zu verfärben begann. Im Licht der aufgehenden Sonne leuchteten die letzten Herbstblumen auf der Wiese. Da waren die kleinen gelben Blümchen, die ihre Mutter »Königsknöpfchen« nannte, die blauen Glockenblumen und jene anderen, die eine Art Kugel bildeten, und wenn man daraufpustete, flogen alle Samenfädchen davon, und von der Blume war nichts mehr übrig.
    Der Herbst brach an. Das bedeutete, dass danach der Winter kommen würde. Erst Herbst, dann Winter, das war die Reihenfolge.
    Herbst, das bedeutete: wenige Kastanien, fast keinen Maisbrei, ein paar Äpfel, kalte Füße und eine Rotzglocke an der Nase.
    Und Winter: gar keine Kastanien, fast keinen Maisbrei, keine Äpfel, eisige Füße und so viel Rotz in der Nase, dass er alles verstopft, auch dort, wo man atmet und man husten muss; zum Warmwerden gab’s Brennholz. Nicht dass man es verbrennen durfte, das war verboten, sondern indem man es mit der Axt zu Scheiten hieb und spaltete: Ein Scheit, noch ein Scheit und noch ein Scheit, und zum Schluss taten einem Rücken und Arme weh, und an den Händen hatte man Blasen, aber eine Weile lang kam man wenigstens nicht um vor Kälte. Dann kehrte die Kälte wieder, die Blasen an den Händen aber blieben.
    Wenn man’s überlebte, kam der

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