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Der letzte Elf

Titel: Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana DeMari Silvana De Mari
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alten Zeiten als Rastplatz gedient hatten, und so verging die restliche Nacht.
    Im Licht des ersten Morgengrauens standen sie auf und stürzten eilig den Hang hinauf, mit der Beklemmung derer, die eine Ungerechtigkeit begangen haben, mit der Hast derer, die ihre Wut nicht bezähmt haben und rasch etwas wiedergutmachen müssen, weil sie einem Kleinen, einem Kind, einem Unlängstgeborenen wehgetan haben.
     
     
    Als sie endlich bei der Bibliothek ankamen, strahlte die Sonne in vollem Glanz, und der Wasserfall in der Ferne leuchtete in sämtlichen Farben des Regenbogens. Das Tor stand offen: Der Drache schlief ihm goldenen Licht seines Saals. Die Bibliothek war sorgfältig gesäubert und abgestaubt worden: Alle Bände standen blank und in ordentlichen Reihen auf ihren Regalen.
    Der kleine Elf saß in einem der hinteren Räume, rings um sich mächtige Folianten, die vollgeschrieben waren mit den unverwechselbaren silbernen elfischen Lettern und merkwürdigen Zeichnungen mit Kugeln und Kreisen. Der Kleine war vergnügt wie ein junger Adler, der eben das Fliegen erlernt hat. Er saß inmitten einer Reihe von Kugeln, die in unregelmäßigen Bahnen, geneigten und länglichen, um eine Kugel in der Mitte kreisten, die sich ihrerseits um sich selbst drehte.
    »Das hat mein Vater mir aufgeschrieben«, sagte der Kleine selig und wies auf die Schrift und die Zeichnungen. »Das aber habe ich gemacht!«, setzte er begeistert hinzu und wies auf die in der Luft schwebenden Kugeln. »Ich habe eine alte Drachenhaut verwendet - sie streifen sie ab wie die Schlangen, wisst ihr -, um die Globen herzustellen, und jetzt richte ich es so ein, dass sie sich bewegen wie die Planeten. Wenn sie klein sind und sich auch um sich selbst drehen, kann ich sie auch gegen die Schwerkraft in der Luft halten.«
    Es folgte eine lange und unverständliche Erklärung.
    In den hinteren Räumen gab es jede Menge Folianten zur Bewegung der Gestirne. Der Drache war jedoch nie bis hierher vorgedrungen. Die Durchgänge von einem Saal in den anderen waren so schmal, dass für ihn alles außer dem zentralen Saal unerreichbar war.
    Wenn der Drache die Bewegung der Gestirne nie hatte studieren können, so hatte der Vater des kleinen Elfen, Gornonbenmayerguld, Der den Weg findet und ihn anderen zeigt, es gekonnt, und er hatte alles verstanden. Er hatte ihm dermaßen klare Erläuterungen hinterlassen, dass er, Yorsch, im Lauf einer einzigen Nacht alles begriffen hatte!
    Die Schlussfolgerung war, dass die Wetterveränderung ohne einen wirklichen Grund eingetreten war, niemand war schuld daran, und sie ging wieder zurück, weil der Zeitpunkt gekommen war, dass alles zur Normalität zurückkehrte, und das war niemandes Verdienst.
    Der Vulkan hatte nichts damit zu tun. Er mit seinem weißen Rauchfähnchen war nicht so mächtig, dass er eine ganze Region in eine Schlammwüste verwandeln konnte! Der kleine Elf warf mit einer Menge sinnloser Worte um sich: Meteoriten, Verschiebung der Erdachse; wieder erwähnte er die Schwerkraft, auch wenn da nichts war, was nach unten fiel, und niemand gehängt werden sollte.
    Kurz gesagt bedeutete das: Die Jahre des Schlamms und des Regens waren rein zufällig aufgetreten, aufgrund eines gigantischen Felsbrockens, der am Himmel vorübergezogen war, dort wo niemand ihn sah, und jetzt entfernte er sich gerade wieder; dadurch kehrte diese Sache, die sich »Neigung der Erdachse« nennt, wieder in eine Lage zurück, in der das Klima optimal ist. Oder zumindest nicht geradezu scheußlich. Kurz: ganz normales Wetter. Ein bisschen Sonne, ein bisschen Regen, ab und zu ein schöner Tag mit einer leichten Brise, dass man Drachen steigen lassen oder Getreide aussäen konnte.
    Der Jäger und die Frau verstanden nicht viel. Sie unterbrachen den Kleinen auch nicht, um zu fragen, was ein Planet ist und ob »Globus« das Gleiche ist wie »Kugel«. Der Kleine verstieg sich sogar so weit zu behaupten, die Erde sei rund und die Sonne drehe sich nicht um sie, sondern es sei genau umgekehrt, was von allen Dummheiten, die er vorgebracht hatte, wohl die allergrößte war, denn man brauchte ja nur Augen im Kopf zu haben und sich umzuschauen, um das zu sehen, doch aus Höflichkeit waren die beiden Menschen entschlossen, darüber hinwegzugehen und sich nicht weiter dazu zu äußern.
    Allerdings mussten sie zugeben, dass in den vergangenen beiden Monden das Wetter zum ersten Mal seit Jahren etwas besser geworden war. Man hatte wieder blauen Himmel gesehen, Sonne und

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