Der letzte Exfreund meines Lebens
Vater eines Tages nicht mehr heimgekommen war. Sie waren als Nachbarn aufgewachsen, und die Armut und der unversöhnliche Hass auf ihre jeweiligen Väter hatten sie vereint. Die Cassidy-Brüder hatten ihren alten Herrn gehasst, weil er ihre Mutter mit zwei kleinen Kindern im Stich gelassen hatte und einfach gegangen war, während Georgie und Phoenix der Gewalt des trunksüchtigen Vaters und, wie Will vermutete, im Fall des Mädchens noch Schlimmerem, ausgeliefert gewesen waren.
Als die drei Jungs beschlossen hatten, eine Band zu gründen, hatten sie Georgie, ohne sie auch nur zu fragen, zwei Trommelstöcke und ein Buch für Selbstlerner besorgt, ihr befohlen, jeden Tag zu üben, und sie dann in die Gruppe integriert, wo sie ein Auge auf sie haben und zugleich auch jede Chance zunichtemachen konnten, dass sie irgendwann mal einen Partner fand. Alle drei hatten den vehementen Wunsch, sie zu beschützen, und Will hatte schon oft gedacht, dass die Art, wie sie sich auf der Bühne aufbauten, symbolisch für ihr Beziehung war: Georgie gut versteckt im Hintergrund hinter den riesigen Drums, während Owen und
Rory drohend vor ihr ihre Gitarren schwenkten und Phoenix ganz vorn stand und jeden herausfordernd ansah, der ihnen zu nahe kam.
Musikalisch war die junge Frau das schwächste Glied der Band. In ihrer Anfangszeit hatte sie derart schlecht gespielt, dass mehrere Plattenfirmen vorgeschlagen hatten, sie durch jemand anderen zu ersetzen. Stattdessen hatten sie die Plattenfirmen getauscht und Georgie weiter zum Schlagzeugunterricht geschickt. Sie würde niemals eine wirklich gute Drummerin, aber jeder, der die Gruppe kannte, wusste, dass es ihnen um viel mehr ging als nur die Musik. Die Band war ihr Rettungsboot, und sie würden niemanden aus der Familie jemals über Bord werfen.
»Los, erfüll deine Pflicht als Trauzeuge.« Jetzt lächelte ihn Georgie an. »Mach dir um mich keine Gedanken.«
»Mach sie fertig, Glatze«, meinte Owen, als er Will auf dem Weg vom Klo entgegenkam.
Inzwischen hatte sich Grace’ Schwester Iris, keine große Freundin übertriebenen Benimms oder aufgesetzter Coolness, auf den freien Platz am Walking-Wounded-Tisch gesetzt, denn ihr war der Sitzplan ebenso egal wie den Bandmitgliedern, und sie hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht zu gucken, welcher Platz für sie bestimmt gewesen war. Sie wusste ganz genau, was für fürchterliche Langweiler Helen für die passende Gesellschaft für eine sechzigjährige Witwe hielt. Helen meinte es nur gut, aber diese Jungs versprachen jede Menge Spaß und waren deshalb viel eher nach ihrem Geschmack.
Tessa starrte sie mit großen Augen an, als wäre sie ein Käfer, der durch ihren Salat gekrabbelt war.
Owen hingegen wirkte amüsiert. »Hi, ich bin Owen«, stellte er sich vor und gab ihr mit blitzenden Augen die Hand.
Was für ein hübscher Kerl. Ach, wäre ich doch vierzig Jahre jünger!, ging es Iris durch den Kopf.
»Sie kommen mir bekannt vor, meine Liebe«, sagte sie zu Tessa. »Habe ich Sie vielleicht schon mal im Fernsehen gesehen?«
Tessas Miene hellte sich sichtlich auf. Vielleicht war diese alte Schachtel doch nicht so verkehrt. »Das könnte durchaus sein. Ich bin Tessa Bond«, stellte sie sich begeistert vor.
Iris schaute sie mit einem leeren Lächeln an. »Oh, dann sind Sie nicht die, die ich dachte«, meinte sie.
»Wer dachten Sie denn, dass sie ist?«, fragte Owen, dem das Blitzen in Iris’ Augen nicht verborgen geblieben war.
»Wie heißt noch mal diese Frau, die oben ohne gärtnert – Sie wissen schon, die mit dem strubbeligen Haar?«
Georgie prustete fröhlich in ihr Bier, und Owen brach in brüllendes Gelächter aus.
»Sie hat irgendeinen Männernamen – Jim oder Fred oder so«, fuhr Iris fort.
»Charlie Dimmock.« Tessa wurde dunkelrot vor Wut.
»Oh ja, genau die meine ich!«
Owen liebte diese fremde Frau.
»Ich sehe kein bisschen wie die verdammte Charlie Dimmock aus!«, stieß Tessa mit zornentbrannter Stimme aus.
»Tessa gärtnert nicht oben ohne«, erklärte Owen hilfsbereit. »Sie moderiert eine Gameshow im Fernsehen. Außerdem bringt sie nächste Woche ein Diätbuch raus.«
»Es ist kein Diätbuch«, setzte Tessa Iris mit einem steifen Lächeln in Kenntnis. »Es geht darin mehr um einen Plan für gesunde Ernährung. Diät ist ein so negatives Konzept – dabei geht es immer nur darum, sich irgendetwas zu versagen. Bei meinem Plan geht’s darum, wie man seine Essgewohnheiten auf Dauer positiv
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