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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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Blech.) Jannis stöhnte, als er die linke Hand auf das Lenkrad legte und mit der anderen in der Lederjacke auf dem Sitz neben sich kramte. Schließlich fand er das letzte Streichholz und warf im Rückspiegel ein Auge auf seine Tochter. Sie blickte mit großen, vollkommen grünen Augen starr an die Decke – als hätte sie dort ein Loch entdeckt und als sparte das ganze Dasein seine Spucke. Etwas in ihrem Gesicht ließ ihn an Agneta denken, und er wurde von zärtlichen Gefühlen überwältigt. Er wollte, dass seine Frau glücklich wurde, auch wenn er dabei der Leidtragende war. Vielleicht würde sie es sich anders überlegen, vielleicht auch nicht. Wer wusste das schon? Langsam ahnte er jedoch, dass dies nie geschehen würde. Plötzlich verstand er nur zu gut, wie Efi zumute gewesen sein musste, als er ihre Fragen nicht mehr beantworten, die Leere in ihren Augen nicht mehr ausfüllen konnte. Und warum sie beabsichtigte, mit einem Griechen von den Ifö-Werken zusammenzuziehen. Erst jetzt erkannte er, wie absurd seine Wünsche gewesen waren, und dass Agneta Recht hatte, als sie meinte, es gebe kein Gesetz, das Männern den Vortritt garantiere. Warum sollte sie keine Ausbildung zur Krankenschwester machen, wenn das ihr Wunsch war? Warum sollte sie nicht das Leben führen dürfen, von dem sie träumte? Was konnte sie dafür, dass das kleine Tier bei ihr etwas anderes wollte als bei ihm?
    »Ich werde deine Mama niemals kennen«, sagte Jannis so laut zu seiner Tochter im Rückspiegel, dass er von seiner eigenen Stimme überrascht wurde. »Und sie wird mich niemals kennen – obwohl ich wollte, dass sie mich durchweht wie Flaumhärchen die Sommernacht. Es ist etwas gestorben, mátia mou . Es gibt ein Leben mit deiner Mama, das, unsichtbar und fremd, nur in mir weitergeht und von dem sie niemals etwas hören wird. Nur ich kenne den Verlust. Er lässt sich nicht erzählen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin kein studierter Kopf wie Kezdoglou. Ich bin einfach, ich bin kompliziert. Ich bin Grieche.« Er lachte. »Eventuell mit ein bisschen Schlittschuhen oder Apokalypse in mir, aber trotzdem.« Bei dem Gedanken an den Artikel über Karamella packte er das Lenkrad fester. »Ich kann mein Leben nicht in Einzelteile zerlegen. Wie soll das gehen? Alles hängt zusammen. Vielleicht begreifst du ja, wie man es anstellt, wenn du groß bist. Das ist dann deine Sache. Aber ich hoffe, du machst weiter, wie du angefangen hast. Ich hoffe, du ähnelst keinem anderen und wirst deshalb wie wir alle.« Erneut betrachtete er seine Tochter. »Oh je, hör dir mal deinen Papa an. Ich klinge schon wie eine jiajiá .«
    Wir stellen uns vor, dass Jannis sich vorlehnte, um mit seinen Augen den strömenden Regen zu durchdringen, in dem gelbe und rote Lampen blinkten und verschwanden wie Plastikkäfer. »Weißt du, was die letzten Worte meiner mána vor meiner Abreise waren? › Mátia mou ‹, sagte sie, ›Wasser ist nicht alles im Leben. Es gibt auch noch Tränen.‹« Er rieb mit dem Ärmel über die beschlagene Windschutzscheibe. »Wenn das so ist, weint der Himmel jetzt wirklich tüchtig.« Wieder hatte er einen Kloß im Hals. »Wenn sie das nicht selber schafft«, sagte er mit belegter Stimme, »werde ich ihr wohl helfen müssen.« Er suchte den Blick seiner Tochter im Rückspiegel. »Wie eine Mutter zu sein, meine ich.« Während Jannis mit seiner Zunge kämpfte, oder was immer es war, verirrten sie sich in die farblosen Vororte von Zagreb. Erst als er die Bürgersteige und Ampeln sah, erkannte er, dass er sich verfahren hatte. Er stöhnte »Mein Gott« (auf Schwedisch), er schaltete herunter und bog ab. Anschließend fuhr und bremste, bremste und fuhr er durch endlose Wohnviertel, bis er schließlich eine ausgeschilderte Auffahrt entdeckte – »E 70« – und wieder Gas geben konnte. Das Streichholz war so zerkaut, dass er die rissigen Späne ausspuckte. Einige landeten auf seinem Hemd, andere auf dem Tachometer. Er wischte sich die Mundwinkel trocken. Er war durstig. Er gähnte. Es war höchste Zeit, Halt zu machen. Laut der Uhr am Armaturenbrett war es zwanzig nach vier am Donnerstagnachmittag.
    Mittlerweile hatte der Saab die Mietskasernen mit ihrer ewig nassen Wäsche auf farbblätternden Balkonen hinter sich gelassen. Plötzlich glitzerte die Novembersonne im Dunst zwischen den Fabriken − vielleicht war es aber auch nur eine der Flammen, die aus den länglich schmalen Röhren schlugen, in welche die Gasleitungen, die parallel zum

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