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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das Blatt, faltete es sorgfältig, zerriß das andere Schriftstück und warf es in das Heu. Ohne einen Gruß, ohne ein Wort weiter verließ er die Scheune, ging um das Patrascu-Haus herum, grüßte auch den Alten nicht, der neugierig und einmal nicht hustend in der Tür stand, stieg in seinen Wagen, scheuchte die Dorfjungen weg, die den Luxuswagen umringten, und fuhr schnell aus Tanescu hinaus.
    Der alte Patrascu sah ihm mit schiefgeneigtem Kopf nach. Er hat unterschrieben, dachte er richtig. Ich verliere heute meine Tochter, meinen neuen Sohn, meine Zukunft, mein Alter – ich verliere alles. Nur die Einsamkeit wird bleiben, monatlich vielleicht ein Brief: Mir geht es gut … wir haben ein Kind bekommen. Auch ihm geht es gut … Hier ist es schön … Worte, Worte, nur alles dumme Worte … Und dann wird man sterben, allein dort hinten auf der Bank oder auf dem Strohbett. Und der Pope wird kommen und einen segnen und sagen: Dein Leben war erfüllt und schön … War es wirklich schön?
    Patrascu hustete wieder. Alles habe ich eben verloren, dachte er wieder. Alles!
    Und er begann, Deutschland zu hassen.
    Als Sonja und Michael von der Scheune herüberkamen, wandte er sich ab und ging ins Haus zurück. Den ganzen Abend über sprach er kein Wort, sondern rauchte nur, starrte in das offene Feuer des Herdes, ging dann ins Bett und lag mit offenen Augen, bis Sonja zu ihm kam und sich neben das Bett setzte.
    »Wir werden fahren, Väterchen«, sagte sie kläglich. »Mihai will es so …«
    »So fahrt!«
    »Ich werde dich jedes Jahr besuchen kommen, Väterchen. Jedes Jahr …«
    Patrascu nickte. Er wußte, daß es unmöglich war. Man würde der Abtrünnigen nie die Einreise genehmigen.
    »Und bei der Taufe der Kinder kommst du nach Deutschland.«
    »Es wird so sein«, sagte der Alte. Leise verließ Sonja das Zimmer. Aber der alte Patrascu lag noch lange wach und überdachte sein Leben. Es war eigentlich ein Nichts gewesen. Und das war es, was ihn ruhiger werden ließ. Sonjas Leben würde schöner werden als seines.
    Dann hustete er wieder, sein Körper wurde geschüttelt, und in diesem Husten und Schütteln schlief er endlich ein.
    Er merkte nicht mehr, daß Sonja noch einmal zurückkam und ihn zudeckte.
    Neun Wochen dauerte es, bis aus Bukarest die Ausreiseerlaubnis in Bacau eintraf. Der Distrikt-Kommissar gab sie erst nach zwei Wochen weiter … zwei Tage, bevor die Frist der Ausreise abgelaufen war.
    Als Michael den Erlaß las, überfiel ihn eine Panik. Nur noch zwei Tage! Wie sollte er in zwei Tagen alles regeln? Es war zu packen, Abschied zu nehmen … es war der Beginn eines neuen Lebens; er sollte froh sein, aber keine Flucht in das Unbekannte.
    »Zeit? Wozu Zeit?« fragte der Distrikt-Kommissar in Bacau, als Michael um einige Tage Verlängerung bat. »Sie gehen für immer, Genosse. Wer das tut, braucht nichts mitzunehmen. Kennen Sie das nicht vom Gefangenenlager her? Wenn es hieß: Antreten ohne Gepäck – wußte jeder, was das bedeutete. Man sieht sich nie wieder …«, sagte er gehässig und grinste. »Wenn es Deutschland so gut geht, daß Sie es eintauschen gegen Rumänien, brauchen Sie doch das Lumpenzeug hier nicht mehr! Sie werden ja jetzt Kapitalist, was?!«
    Es war sinnlos, weiterzureden und die Vernunft anzurufen. Michael verließ das Kommissariat und faßte auf der Straße Sonja unter.
    »Wir müssen wieder einmal ganz, ganz stark sein. Sechsunddreißig Stunden bleiben uns … Es hat keinen Zweck, denen da zuzureden oder um Gnade zu bitten. Sie wissen nicht mehr, was Menschlichkeit ist … In sechsunddreißig Stunden sind wir an der ungarischen Grenze … in drei Tagen in Berlin. In vier Tagen auf unserem Hof …«
    Sonja nickte. »Ich glaube es … weil du es sagst, Mihai.«
    Als sie nach Tanescu zurückkamen, erlebten sie eine Überraschung. Sie brauchten nichts mehr zu packen … der alte Patrascu hatte bereits alles verpackt. Die Koffer, die Säcke, zwei Federbetten … alles war gut verschnürt, in wasserdichte Planen gewickelt.
    »Ich kenne die in Bacau doch«, sagte er, als Michael sprachlos vor dem Gepäck stand. »Man soll euch nicht kleinkriegen … die nicht! Meine Tochter ist eine Patrascu … und die Patrascus haben nie den Kopf gesenkt, wenn sie geschlagen wurden …«
    Am nächsten Morgen wurde der Wagen beladen. Aus Bacau waren wieder einige Fotografen gekommen … sie standen am Straßenrand und knipsten, wie Michael seine Frau Sonja in den Wagen auf das Gepäck hob, wie der alte Patrascu

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