Der letzte Krieger: Roman
Stiefel, tränkte die Hose und zerrte an seinen Beinen. Hinter ihm platschten Elanyas Schritte. Die Fluten waren vom Regen aufgewühlt. Ganze Äste, an denen noch Laub hing, trieben vorbei. Schon nach wenigen Schritten reichte das Wasser Athanor bis zur Hüfte. Das Unwetter hatte den sonst so seichten Fluss anschwellen lassen.
»Vorsicht! Er wird ertrinken!«, rief Elanya und kämpfte sich durch die Fluten neben ihn.
Tatsächlich hing Davaron mit dem Kopf schon fast im Wasser. Athanor warf ihn ab und hielt ihn am Kragen über der Oberfläche. »Folgen sie uns?« Er warf einen Blick zurück, doch das Ufer war bereits hinter dem Regenvorhang verschwunden. Es rauschte so laut, dass er nichts anderes hörte.
»Eben waren sie noch da. Komm!« Elanya wagte sich tiefer ins Wasser. Im nächsten Augenblick sank sie ein und trieb ab. Was sie ihm zurief, übertönte der Donner.
»Verdammt!« Athanor steckte sein Schwert ein, bevor er es in den Fluten verlieren konnte. Gereizt schob er einen Arm unter Davarons Schulter und fasste ihn um die Brust. Der Kopf des Elfs rollte von einer Seite zur anderen wie der einer Puppe. Rückwärts warf sich Athanor ins tiefere Wasser und begann zu schwimmen. Es war vergebens. Sofort packte ihn die Strömung und riss ihn mit sich in die Nacht.
Mahalea duckte sich gegen den Wind, der sie vom Rücken des Greifs zu wehen drohte. Es wäre weiser gewesen zu landen, statt durch dieses Unwetter zu fliegen, doch solange Sturmfeder den Böen trotzen konnte, trieb sie ihn zu noch größerer Eile an.
Die Nachricht von Retheons Ermordung hatte sie tief getroffen. Nicht weil sie dem alten Kommandanten so nahe gestanden hätte. Für sie war er immer nur der Befehlshaber gewesen, dem sie Rechenschaft schuldete, – und einer der wenigen Vernünftigen unter den verblendeten Würdenträgern im Rat.
Was sie viel mehr aufbrachte, war der Mord. Der Greif grollte, als sie vor Zorn die Finger in sein Gefieder krallte. Schuldbewusst lockerte sie ihren Griff, doch ihre Fäuste blieben geballt. Dass der Mörder vor Retheons Rede im Rat zugeschlagen hatte, konnte kein Zufall sein. Sie wünschte, sie wäre eine Vertraute des Kommandanten gewesen, denn dann hätte er sie vielleicht in seinen Verdacht eingeweiht. Nun blieben ihr nur Mutmaßungen. Und doch musste der Rat auf schnellstem Wege davon erfahren.
Durch zusammengekniffene Lider erkannte sie die Berge, die Anvalon in einem Halbkreis umgaben wie schützende Mauern. Einst hatte ihr Herz vor Freude höhergeschlagen, wenn sie nach Hause gekommen war, aber diese Zeit war längst vergangen. Mit den Jahren hatte sie bemerkt, dass es nur der vertraute Anblick war, der ihr vorgaukelte, ein Besuch in der Heimat sei erfreulich. Stattdessen war sie jedes Mal enttäuscht worden. Ihre Verwandten hatten sich immer mehr von ihr entfremdet. Ihre Warnungen vor einem Mangel an ausgebildeten Kämpfern waren nie auf fruchtbaren Boden gefallen. Alle taten, als gebe es sie nicht. Mahaleas Anwesenheit störte sie nur bei der Vervollkommnung nutzloser Künste und den lächerlichen Streitigkeiten im Rat.
Zwischen den Bäumen des weiten bewaldeten Tals entdeckte sie erste Gebäude. Das flache, lang gestreckte Haus des Wassers folgte den Windungen eines Bachs, der es durchfloss. Die Abkömmlinge Ameas hatten es mit Goldried aus dem Süden gedeckt, das selbst nach Jahren seinen gelben Glanz behielt. Nicht weit davon entfernt leuchtete das kupferne Dach des Hauses der Flammen. Von den besten Magierschmieden der Töchter und Söhne Piriths war es vor Jahrhunderten ganz aus Glas und Kupfer errichtet worden, und noch immer funkelte es in der Sonne wie ein rotgoldener Edelstein.
Mahalea warf einen Blick zum Himmel. Noch gab es über Anvalon Lücken in den dunklen Wolken, durch die Sonnenstrahlen herabfielen. Doch das Unwetter schien ihr gefolgt zu sein. Erste Böen fuhren in die Baumkronen und ließen den Wald wogen wie ein Getreidefeld. Es gab diesen Sommer ungewöhnlich viele Gewitter. Ob es einen Zusammenhang mit der erschreckenden Prophezeiung gab, von der Elanya gesprochen hatte? Mahalea hielt nicht viel von solchen Weissagungen. Sie brauchte keine Albträume, um Gefahr für die Elfenlande vorauszusehen. Aber nach allem, was sie in letzter Zeit herausgefunden hatte, sollte sie sich vielleicht doch anhören, was die blinde Seherin verkündete.
Wo das Tal bereits in die Hänge der Berge überging, erhob sich die Kuppel der Ratshalle, die aussah wie aus Ästen geflochten, obwohl sie aus
Weitere Kostenlose Bücher