Der letzte Krieger: Roman
Anliegen vortragen, das wichtig schien, aber warum hätte ich ihn vorab zu mir bestellen sollen? Er wollte doch nur von einigen Beobachtungen berichten, die ihr Späher gemacht habt.«
Nur. Das kleine Wort genügte, um Mahalea daran zu erinnern, welchen Stellenwert die Grenzwache im Weltbild der Erhabenen einnahm.
»Dass ihn ausgerechnet eine vermeintliche Botschaft von mir zu seinem Mörder gelockt hat …« Der Kummer kehrte in Ivanaras Augen zurück. »Das macht es zu einer persönlichen Angelegenheit, verstehst du?«
»Ja, das verstehe ich. Er oder sie hat dich, auf eine gewisse Art, gegen deinen Willen zur Komplizin gemacht.« Je mehr Mahalea über diesen Verräter erfuhr, desto mehr Abscheu empfand sie.
»Er«, betonte ihre Tante. »Der Bote war ein Mann. Retheons Tochter hat ihn gesehen, als er ihren Vater im Garten ansprach.«
»Dann kann sie ihn beschreiben?«
»Kaum. Es dämmerte bereits, und er hatte die Kapuze seines Umhangs übergezogen, obwohl es ein lauer Abend war. Aber sie sagt, er war groß und hatte für eine Frau zu breite Schultern. Nun ja. Wenn ich dich so ansehe, könnte auch das täuschen. Aber sie ist sicher, dass es ein Mann war.«
Mahaleas Ungeduld wuchs. »Was ist mit seinen Kleidern? Jemand muss ihn vorher oder danach gesehen haben.«
»Leider trug er nichts Ungewöhnliches. Aber meine engsten Vertrauten befragen bereits die halbe Stadt und gehen allen Hinweisen nach. Diese schändliche Tat wird nicht ungesühnt bleiben!«
»Der Mörder kann längst über alle Berge sein. Was, wenn er nicht einmal aus Anvalon war und ihn hier niemand kennt?«
Ivanara setzte die strenge Miene auf, mit der sie aufgebrachte Ratsmitglieder in die Schranken wies. »Du vernachlässigst doch sicher nicht deine Pflichten als Grenzwächterin, um Retheon zu rächen. Berichte mir, was der Kommandant dem Rat mitteilen wollte, und dann geh zurück. Irgendjemand muss den Oberbefehl übernehmen, bis ein neuer Kommandant ernannt wird.«
So willkommen ist dir meine Hilfe also. Mahalea war versucht, ihre Tante mit einem knappen Satz abzuspeisen und nach Uthariel zurückzukehren. Doch wenn sie Retheon wirklich einen Dienst erweisen wollte, musste sie seine Aufgabe für ihn zu Ende bringen. »Ich glaube, dass der Kommandant getötet wurde, weil jemand seine Rede im Rat verhindern wollte.«
Ivanara sah sie einen Moment lang schweigend an, als könne sie aus Mahaleas Gesicht lesen, ob diese Anschuldigung der Wahrheit entsprach. »Warum sollte jemand ein Interesse daran haben? Retheon wollte wohl keine Geheimnisse enthüllen, sonst könntest du mir jetzt nicht davon erzählen. Wenn das sein Motiv gewesen wäre, hätte der Mörder mit seiner Tat nichts gewonnen.« Die Erhabene runzelte die Stirn. »Oder er hat nicht mit dir gerechnet. Dann wärst auch du in Gefahr. Wir müssen dich mit Leibwächtern umgeben, solange du hier bist.«
Das fehlte gerade noch. »Deine Sorge in Ehren, Ivanara, aber ich werde nicht lange genug bleiben, um mich umbringen zu lassen. Außer dir weiß noch niemand in Anvalon, dass ich hier bin.«
»Wie lange du hierbleiben wirst, hängt davon ab, was du mir zu berichten hast. Also sprich! Wofür soll ein Elf einen anderen getötet haben?«
»Retheon glaubte, dass jemand uns alle an den Feind verraten hat, der sich gerade aus den Ruinen Theroias erhebt.«
Zum ersten Mal sah Ivanara überrascht aus. »Ein Elf soll sein Volk verkauft haben? Mahalea! War das wirklich Retheons Anliegen? Das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf!«
»Wenn es wahr ist, wäre es wert, dafür zu töten, oder nicht?«
»In der Tat. Aber das wäre …«
Mahalea überlegte, ob der Erhabenen je zuvor die Worte gefehlt hatten.
»Mein Wissen reicht weit in die Vergangenheit zurück, und noch nie hat es einen solchen Verrat gegeben«, sagte Ivanara, als sie ihre Fassung wiedererlangt hatte. »Dieser Vorwurf darf nicht leichtfertig erhoben werden, mein Kind. Hat Retheon dir gegenüber einen Verdacht geäußert?«
»Leider hat er sein Wissen nicht mit mir geteilt«, gab Mahalea zu. »Aber er sah in letzter Zeit sehr besorgt aus und stellte Fragen, die eindeutig darauf hinweisen, dass er glaubte, einem Verräter auf der Spur zu sein. Seine Harpyien haben einen Elf gesehen, der sich bei Nacht aus unserer Heimat stahl. Der Kommandant stellte Nachforschungen an, um herauszufinden, um wen es sich handelte. Vielleicht hatte er endlich Erfolg und wollte vor dem Rat Anklage erheben.«
Wieder blickte Ivanara sie eine Weile
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