Der letzte Krieger: Roman
fasste eine knorrige alte Kiefer genauer ins Auge. Ihr Stamm war als einziger dick genug, um … Da steht der Wächter! Seine Axt ragte hinter dem Baum hervor. Von dort konnte der Ork den Weg vom Pass herauf beobachten, ohne selbst gesehen zu werden. Doch in Athanors Richtung versperrte ihm die Kiefer den Blick.
Athanor spähte zur anderen Seite den Wall entlang, bis sich das Bauwerk in der Dunkelheit verlor. Kein Anzeichen für einen weiteren Wachposten. Und der Wald reichte bis an die ersten Steine heran. Also los! Im Schutz der Bäume eilte er bis auf den Wall, duckte sich. Schon knirschte es leise unter seinen Sohlen. Langsamer kletterte er weiter. Ein Stolpern, das Poltern eines losgetretenen Steins, und der Ork würde Alarm schlagen.
Jenseits des Walls trennte ihn nur noch ein schmaler Streifen Bäume von der inneren Festung. Verlockend nah, doch er musste sich zuerst um den Wachposten kümmern. Lass den Feind niemals in deinen Rücken kommen , warnte er im Stillen den Ork, während er sich von hinten an ihn heranpirschte. Er spürte seinen Herzschlag bis in den Hals. Es tat gut, wieder einen Feind zu haben. Wann hatte er sich zuletzt so lebendig gefühlt?
In guter Schussweite hielt er inne, hob den Bogen, spannte ihn. Plötzlich bewegte sich der Ork. Athanors Atem stockte. Der Wächter hob seine Axt. Mit dem stumpfen Ende der Waffe kratzte er sich im Nacken und lehnte sich grunzend wieder an den Baum. Leise stieß Athanor die angehaltene Luft aus. Wahrscheinlich Flöhe. Spöttisch verzog er den Mund. Sollte er einst einen letzten Wunsch haben, würde er vielleicht darum bitten, sich noch einmal kratzen zu dürfen.
Er konzentrierte sich, ließ Ruhe in seine Gedanken einkehren. Spannen, zielen, den Dingen ihren Lauf lassen. Fast war es, als gleite der Pfeil von selbst durch seine Finger. Ende der Ruhe. Schneller als Athanor blinzeln konnte, steckte das Geschoss zwischen den Rippen des Orks. Der Getroffene streckte sich, stöhnte, doch der Laut ging im Gelächter seiner Kameraden unter. Seine Hand griff nach der Kiefer, während er bereits kippte. Der Länge nach landete er auf dem Rücken und stieß sich dabei den Pfeil noch tiefer in den Leib.
Zufrieden legte Athanor einen neuen Pfeil auf die Sehne. Neben dem reglosen Ork deutete eine Bresche im Wall an, wo einst der Weg zum Tor der inneren Festung geführt hatte. Statt diesem Pfad zu folgen, zog sich Athanor ein wenig zurück und durchquerte das letzte Stück Wald in einigem Abstand. Er wollte nicht direkt vor dem Eingang auftauchen, wo wahrscheinlich ein weiterer Wächter stand.
Aus der Ruine drangen anfeuernde Rufe und gequältes Ächzen. Athanor sah die feige Bande fast schon vor sich, wie sie sich gegenseitig zu immer größerer Grausamkeit anstachelte. Verlaustes Pack! Aber bei dem Lärm konnte er sich wenigstens unbemerkt anschleichen.
Unter einem alten Baum kauerte er sich ins Gesträuch. Von den einstigen Türmen waren nur eingestürzte hohle Stümpfe geblieben, als hätte ein Riese mit einem gewaltigen Hammer ihre Spitzen zur Seite gefegt. Überall lagen Trümmer verstreut, doch die frühere Wehrmauer überragte den Schutt noch immer zwei Mann hoch. Athanor sah an ihr entlang. In ihrem zerfallenen Zustand war es ein Leichtes, sie zu übersteigen. Aber er bemerkte auch das Flackern des Feuers, das über die Innenseiten des Gemäuers tanzte. Dort oben wäre er eine gut beleuchtete Zielscheibe. Vielleicht gab es einen besseren Weg.
Nicht weit von ihm entfernt klaffte das offene Tor in der Mauer. Sicher hatte es einst hölzerne Torflügel gegeben, doch sie waren im Lauf der Jahrhunderte zu Staub zerfallen. Nur der Rundbogen trotzte noch immer der Schwerkraft, obwohl die Mauern darüber eingestürzt waren. Athanor zögerte. Sollte er doch dreist durch das Tor marschieren? Wenn es ihm gelang, unbemerkt die Wache zu beseitigen, bot ihm der Eingang sogar Deckung, um weitere Gegner zu erledigen, bevor sie ihm gefährlich werden konnten.
Im Schatten der Bäume näherte er sich dem Tor. Hallte da etwas im Gang? Er riss den Bogen hoch. Keine zwanzig Schritte von ihm entfernt kam ein Ork in Sicht und stapfte mit düsterem Blick ins Freie. Die Wachablösung.
Athanor zielte, zischte. »Pst!«
Der Ork wirbelte herum. Noch während er die Augen aufriss, ragte der Pfeil bereits aus seiner Brust. Athanor stürmte auf ihn zu, sah, wie sich der Mund zum Schrei öffnete. Krächzen und Blutspritzer drangen hervor. Noch im Laufen zog Athanor das Schwert. Sein
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