Der letzte Kuss
würde sein Vergnügen anhalten, wenn er in den Hafen der
Ehe eingelaufen war? Bei dem Gedanken an sein bevorstehendes Schicksal überlief ihn ein Schauer.
»Bist du krank?« Pearl legte ihm ihre Hand auf die Stirn.
»An einem so schönen Tag kann man unmöglich frösteln. Vielleicht sollte lieber deine Mutter dich umsorgen als umgekehrt.«
Er blinzelte und merkte, dass er ganz in Gedanken gewesen war. »Mir geht es gut, wirklich.«
»Also schön, ich will dich nicht länger aufhalten. Ich gehe nur schnell zur Bank und dann nach Hause. Später sehe ich dann nach deiner Mutter.«
»Grüß Eldin von mir.«
Pearl steuerte auf die Bank in der First Street zu, und auch Roman setzte seinen Weg fort. So vieles war in der Stadt beim Alten geblieben, ihn aber interessierte jetzt, was neu und anders war, und er begab sich direkt zu Charlottes Laden. Fest stand, dass sie eine Frau war, die ihn immer anzog, egal, wie oft sie selber dagegen ankämpfte.
Obwohl sie so gegensätzliche Vorstellungen vom Leben hatten, dass sie nicht zusammenpassten, reizte sie ihn. Leider Gottes erfüllte sie nicht das wichtigste Kriterium, nämlich die Bereitschaft, sein Herumreisen zu akzeptieren. In ihm wuchs der Wunsch, den Laden zu stürmen und ihre Abwehrkräfte zu überwältigen, aber die Vernunft setzte sich durch. Jeder Kontakt würde ihnen beiden nur Schmerz bereiten.
Mit resigniertem Blick sah er sich um und entdeckte – auf demselben Fleck wie gestern Abend – Rick, der ihn nachdenklich betrachtete. »Wieder auf Streife?«, fragte Roman.
»Ich schau mich nur nach verdächtigen Typen um, so wie du einer bist.« Rick grinste.
Roman stöhnte auf und rieb sich die brennenden Augen. »Fang gar nicht erst an.«
Rick beäugte ihn misstrauisch. »Da ist aber einer heute früh gereizt.«
Bevor Rick angefangen hatte, ihm auf die Nerven zu gehen, war das noch nicht so gewesen. »Später, Bruder. Ich brauche einen Kaffee.«
»Ach ja? Damit du wach wirst und mit der Weiberjagd beginnen kannst?«
Bei Ricks Gerede hämmerte es in Romans Kopf immer heftiger.
»Viel Glück.« Rick ging an ihm vorbei und auf den mit Slips bestückten Laden zu.
»Was ist los?«
Rick drehte sich um ohne einen Anflug von Belustigung im Gesicht. »Bin im Dienst.«
»Der Höschendieb?«
Er nickte ohne ein weiteres Wort. Das war auch gar nicht nötig. Er hatte Roman schon mehr Informationen als erlaubt gegeben, alle streng vertraulich. Jemand brach ein in die Häuser der Kunden dieses Ladens und stahl eine bestimmte Marke von Slips. Rick hoffte, Charlotte könnte sachdienliche Hinweise geben, die bei den polizeilichen Untersuchungen hilfreich wären.
»Willst du mitkommen?«, fragte Rick.
Roman musterte ihn, um zu sehen, ob er sich über ihn lustig machte. Immerhin war dies der Bruder, der als Teenager am Telefon in Romans Namen Blind Dates verabredet hatte. Aber Rick stand da und wartete, ohne auch nur zu grinsen. Hatte Roman eine Wahl? Er hatte keine. Die Frau seiner Träume war dort drinnen. Roman warf seinem mittleren Bruder einen dankbaren Blick zu. Obwohl sein Selbsterhaltungstrieb
ihm riet, sich fernzuhalten, trieb ihn die Neugier an.
Er hatte das dringende Bedürfnis, das musste er sich eingestehen, Charlotte zu begegnen.
Beim Klang der Türglocke hielt Charlotte inne; sie war gerade dabei gewesen, lavendelfarbene Unterwäsche zusammenzufalten. Hochblickend sah sie Officer Rick Chandler hereinschlendern.
Sie winkte ihm freundschaftlich zu, aber ihr blieb die Hand in der Luft stehen, als Roman ihm folgte. Sie leckte sich die trockenen Lippen, während sie beobachtete, wie die beiden durch ihren so femininen Laden gingen.
Nebeneinander wurde der Unterschied zwischen den Brüdern ganz besonders deutlich. Alle drei Chandlers waren mehr als atemberaubend. Aber so gut Rick auch aussehen mochte, er machte nicht den gleichen überwältigenden Eindruck auf Charlotte wie Roman. Seit sie sich wieder in der Stadt aufhielt, waren sie gute Freunde geworden, nichts weiter. Selbst Chase, der Roman äußerlich sehr ähnlich war, kam auf Charlottes Richterskala längst nicht so weit wie Roman.
Irgendetwas an dem jüngsten Chandler-Bruder fesselte sie – sein pechschwarzes Haar, sein selbstsicherer Gang und seine unwiderstehlichen blauen Augen. All das erweckte in ihr die Sehnsucht nach Dingen jenseits ihrer Kontrolle oder ihres Verstandes. Sie schauderte und ließ dann die Realität wieder zu. Ganz gleich, wie gut die Chandler-Männer aussahen, keiner
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