Der letzte Liebesdienst
gewesen war. Gerade einmal ein Jahr. Sie hatte die Liebe ihres Lebens gefunden und so schnell wieder verloren. Sie hatte es gewusst, aber sie hatte gehofft, dass es länger dauern würde. Nein, sie hatte noch viel mehr gehofft: dass es ein ganzes Leben dauern würde, ihrer beider Leben, gemeinsam.
Aber so war es nicht gekommen.
»Lara! Ich trete die Tür ein!«
»Ja, ja . . .« Lara zwang sich aus dem Bett, nur langsam stand sie auf. »Ich komme ja schon.«
Sie wankte zur Tür und öffnete.
Wie ein Wasserschwall, wenn sich ein Staudamm öffnet, stürzte ein junger Mann herein, aufgeregt und ganz rot im Gesicht. »Ich dachte schon, du –« Er verstummte abrupt.
Lara verzog das Gesicht. »Nein, ich bin nicht tot. Ich nicht.«
»Lara, Süße . . .« Er legte die Arme um sie. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht.«
»Ach, Chris . . .« Lara atmete tief durch. »Um mich musst du dir keine Sorgen machen. Mir geht es gut.«
Chris hielt sie auf Armlänge von sich weg. »Das sehe ich.«
Amor, der schon die ganze Zeit versucht hatte, die Aufmerksamkeit der Menschen zu erregen, sprang an ihnen hoch und versuchte sie abzuschlecken.
Chris fuhr ihm abwesend über den Kopf. »Soll ich mit ihm rausgehen?«, fragte er Lara. »Du siehst nicht so aus, als wärst du in der Lage dazu.«
»Danke.« Laras Stimme klang matt. »Willst du ihn nicht gleich mitnehmen? Und Cassiopeia auch?«
»Du willst die Tiere abgeben?« Chris schaute sie entgeistert an. »Hätte Maja das gewollt?«
Amor kratzte an der Tür.
»Ist gut, mein Junge, ich komme.« Chris warf einen Blick auf den Hund, dann wieder auf Lara. »Kommst du allein zurecht?«
Lara stand da, als hätte sie ihn gar nicht gehört.
»Leg dich hin«, sagte er leise. »Ich bin gleich wieder da.« Er griff nach Amors Leine und Halsband und legte es ihm um. Zum Schluss nahm er den Schlüssel vom Flurschränkchen und hob ihn hoch. »Dann brauchst du gleich nicht noch mal aufzustehen.«
Lara nickte, als ob selbst diese Bewegung sie ungeheuer erschöpfen würde.
Chris strich ihr über die Wange. »Ich bringe was zu essen mit, wenn ich zurückkomme. Wann hast du das letzte Mal etwas gegessen?«
Laras Kopf bewegte sich wie von selbst langsam hin und her wie der einer Marionette. »Weiß nicht. Ist unwichtig.«
»Das sehe ich nicht so.« Chris schaute sie noch einmal besorgt an, dann ließ er sich von Amor in den Flur ziehen.
»Oh mein Gott, Lara . . .« Maja starrte mit aufgerissenen Augen auf ihre große Liebe, die sie nicht sehen konnte. Sie hob die Hand, wollte Lara berühren –
Anke hielt ihr Handgelenk fest. »Nicht. Du könntest sie erschrecken. Jeder Lebende reagiert anders, es kann sogar zu einem Herzinfarkt führen. Wir wissen nicht, wie sie reagiert. Sie sieht sehr geschwächt aus.«
Maja ließ die Hand sinken. »Ja, das tut sie«, flüsterte sie matt. Sie musste nicht flüstern, Lara hätte sie nicht hören können, selbst wenn sie laut geschrien hätte, aber sie konnte es sich immer noch nicht vorstellen. Außerdem hätte sie keinen lauten Ton herausgebracht, selbst wenn sie gewollt hätte.
»Mau?«
Maja fuhr herum. »Cassiopeia!« Diesmal sprach sie lauter als eben noch.
Anke schaute etwas skeptisch auf die Katze, die zu ihnen und Lara herüberstarrte. »Sie sieht uns. Katzen können Verstorbene sehen«, sagte sie.
»Sie kann mich . . . sehen?« Maja ging in die Knie und streckte ihre Hand nach Cassiopeia aus.
Cassiopeia schien nicht sicher zu sein, was sie tun sollte. Sie setzte sich erst einmal hin und begann sich zu putzen.
»Ich weiß, Cassiopeia.« Das war Laras müde Stimme. »Du hast Hunger.« Sie griff sich an den Kopf. »Oh, diese Schlaftabletten. Wie lange habe ich geschlafen?«
Nun erhob Cassiopeia sich und schlenderte in typisch majestätischer Katzenmanier zu Lara hinüber. Kurz bevor sie bei ihr angekommen war, machte sie einen Katzenbuckel und versuchte sich an Majas Hand zu reiben. Erstaunt darüber, dass sie Majas Hand zwar sehen konnte, die Hand aber trotzdem nicht da war, stutzte sie einen Moment.
Doch in diesem Augenblick ging Lara in die Küche und öffnete eine Dose Katzenfutter. Cassiopeia vergaß ihre Verwunderung und lief schnell in Richtung des Geräuschs.
Maja stand auf. Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Sie kann mich zwar sehen, aber ich kann sie nicht fühlen und sie mich nicht.«
»Nein.« Anke schüttelte den Kopf. »Ich würde ihr Fell auch gern streicheln. Es sieht sehr weich
Weitere Kostenlose Bücher