Der letzte Massai
Bescheid über die Zuweisungen an Clement Hills Neffen und an andere.«
»Dann wissen Sie auch, dass noch ein Rechtsstreit anhängig ist, den ein anderer Beglückter von Eliots Großzügigkeit angestrebt hat.«
»Na schön. Alles zu seiner Zeit.« Roseford paffte einen Moment lang an seiner Pfeife, bevor er hinzufügte: »Ich bin lediglich ein wenig besorgt, dass die Umsiedelung der Massai aus dem Great Rift Valley einen Präzedenzfall schaffen könnte, um sie erneut umzusiedeln – dieses Mal aus dem Reservat im Norden Gott weiß wohin. Dann hätten Sie einige weitere Kampfrunden mit den Anhängern der Labour-Partei zu befürchten.«
Lansdowne trank den Whiskey aus und stellte das Glas auf seinen Beistelltisch. »Ich muss los. Aber Sie hören nicht zu, lieber Roseford. Wenn die Massai aus dem Great Rift Valley in die Laikipia-Hochebene umsiedeln, dann sollen sie auch dort bleiben.«
»Sind Sie sich da sicher?«, fragte Roseford.
»Hundertprozentig.« Lansdowne erhob sich und glättete die Falten seiner Weste. »Wie ich schon sagte, Roseford. Solange die Massai als Volk existieren.«
Nashilo stellte die Brühe neben Ntootos Schemel, setzte sich neben sie und lehnte sich, wie Ntooto es tat, gegen die Wand der Hütte.
»Ich danke dir, mein Kind«, sagte die alte Frau seufzend. »Von all den jungen Leuten bist du die einzig Fürsorgliche.«
Nashilo lächelte, wollte Ntooto aber nicht ermutigen, eine Tirade auf ihre zahlreiche Nachkommenschaft anzustimmen, die sie ihrer Meinung nach vernachlässigte. Die »jungen Leute«, von denen sie sprach, waren die vielen Enkelkinder, die ihr ihre vier erwachsenen Söhne geschenkt hatten. Die Tatsache, dass ihre Söhne in ihre eigenen
Enkangs
gezogen und ihre Enkelkinder weit weg waren, stellte in Ntootos Augen keine Entschuldigung dar.
»Wäre doch nur meine Lokatira noch bei mir«, fuhr sie fort. »Sie würde sich auf die gleiche Weise um mich kümmern wie du, mein Kind. Es würde mir an nichts mangeln. Sie würde ihre Mutter respektieren und sich um sie kümmern, wie es ein gutes Kind oder Enkelkind tun sollte.«
Lokatira war noch ein kleines Kind gewesen, als man sie bei demselben Überfall der Kikuyu, bei dem Nashilos Mutter ihr Leben verlor, geraubt hatte.
Nashilo erinnerte sich an sie als ein hübsches kleines Mädchen mit großen, leuchtenden Augen, das voller Wissbegierde gewesen war.
»Weißt du, mein Kind, ich kann meine Kleine hier drin immer noch sehen.« Ntooto schlug sich leicht gegen die Brust. »Sie war mein einziges Mädchen. Meine einzige Hoffnung auf ein behagliches Leben im Alter. Abgesehen von dir, mein Liebes. Du bist ein wahrer Schatz. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich anfangen sollte.«
Nashilo wollte vermeiden, dass die Unterhaltung in eine weitere Schmährede gegen ihre Familie ausartete. »Das ist eine Hitze, nicht wahr?«, sagte sie. »Die Regenzeit kann nicht weit sein.«
Ntooto schaute blinzelnd in den Himmel. »Noch ein Mond«, sagte sie bestimmt. »Und dann werden die jungen Leute natürlich wieder einen weiteren Grund haben, wegzubleiben.«
»Ich frage mich, wie es den Hirten geht, wo das Land doch so trocken ist. Es muss schwer sein für die Rinder.«
Aber es waren nicht die Rinder, um die sich Nashilo sorgte; ihre Gedanken galten Parsaloi Ole Sadera, den sie schmerzlich vermisste. Sie wünschte sich, er käme endlich zurück. Ihr Ehemann besuchte seine vierte Ehefrau in ihrem
Enkang,
und es waren bereits viele kostbare Tage verstrichen, an denen sie mit Parsaloi hätte zusammen sein können.
Sie schloss die Augen, verbannte die Hitze und die Fliegen aus ihren Gedanken und gab sich Erinnerungen an ihr letztes Zusammensein hin, als sie sich am feuchten, sandigen Ufer des Wasserlochs leidenschaftlich geliebt hatten. Hinterher, als er über ihr kniete, sein Körper vor Schweiß und von der Nässe ihres eigenen Körpers glänzend, hatte sie in seine Augen geschaut, und für einen kurzen Moment war darin eine Verletzlichkeit zu erkennen gewesen, die sie in ihrem tiefsten Inneren rührte, und ihr Herz flog ihm zu.
Ole Sadera stand unter dem alten Feigenbaum auf dem Hügel oberhalb der
Manyatta
der
Moran.
In der Ferne war das glitzernde Blau des Naivasha-Sees mit seinem grünen Ring üppigen Schilfs und Wassergräser zu erkennen, doch er bewunderte nicht die Szenerie. Das Herz war ihm schwer, während er den Anführer der aus
Askaris
bestehenden Truppe beobachtete, die eine Hütte nach der anderen in
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