Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
dass Vater und Sohn die eine Meinung verfochten, während der Kundschafter auf der anderen beharrte. Der Streit wurde allmählich wärmer, bis man deutlich sah, dass sich die Sprecher ziemlich in ihren Gegenstand vertieft hatten; trotz des zunehmenden Eifers aber, womit die Freunde stritten, hätte die ehrsamste christliche Versammlung, selbst die Zusammenkünfte ehrwürdiger Geistlicher nicht ausgenommen, an der Zurückhaltung und dem Anstande der Streitenden sich ein heilsames Muster der Mäßigung nehmen können. Uncas Rede wurde mit derselben Aufmerksamkeit angehört als die Worte gereifterer Einsicht, die sein Vater gesprochen; und weit entfernt, Ungeduld zu verraten, antwortete keiner, ohne zuvor einige Augenblicke, wie es schien, in stillem Nachdenken über das Gesprochene, schweigend verbracht zu haben.
Die Rede der Mohikaner war von so natürlichen und ausdrucksvollen Gebärden begleitet, dass es Heyward nicht schwerfiel, den Faden ihrer Beweisführungen zu verfolgen. Dunkler blieb ihm dagegen der Kundschafter, weil er aus geheimem Stolz auf seine Farbe jener kaltblütigen und nüchternen Sprechweise sich befliss, die allen Klassen der Anglo-Amerikaner eigen ist, so lange sie sich nicht in Aufregung befinden. Aus ihrer häufigen Wiederholung der Merkmale eines Waldzuges ließ sich schließen, dass sie auf eine Verfolgung zu Lande drangen, wogegen des Kundschafters immer wiederkehrende Armbewegung gegen den Horican anzudeuten schien, dass er für die Wasserstraße sprach.
Der Letztere schien zu verlieren, und die Sache war auf dem Punkte, gegen ihn entschieden zu werden, als er sich plötzlich erhob, alle seine Ruhe fahren ließ, und ganz die Weise eines Eingeborenen annehmend, alle Künste indianischer Beredsamkeit aufbot. Seinen Arm emporhaltend wies er auf den Lauf der Sonne und wiederholte diese Gebärde für jeden Tag, den er für ihre Aufgabe erforderlich glaubte. Er beschrieb sodann einen langen, mühevollen Weg über Felsen und durch Gewässer. Das Alter und die Schwäche des schlummernden und arglosen Munro wusste er durch Zeichen anschaulich zu machen, die verstanden werden mussten. Selbst von Duncans Kräften schien er in seiner Rede keine gar hohe Meinung zu haben: Er reckte seine flache Hand aus und bezeichnete ihn mit der Benennung »offene Hand«, – ein Name, den ihm seine Freigebigkeit bei allen befreundeten Stämmen erworben hatte. Dann folgte eine Darstellung der leichten und zierlichen Bewegungen des Kanus in schreiendem Kontraste mit den schwankenden Schritten eines müden und erschöpften Wanderers. Zum Schlusse deutete er auf den Skalp des Oneida, und drang offenbar darauf, eilig aufzubrechen, und zwar so, dass keine Spur von ihnen zurückblieb.
Die Mohikaner hörten mit großem Ernste zu, und man las in ihrem Ausdrucke die Wirkung der Rede des andern. Sie ließen sich allmählich überzeugen und begleiteten gegen das Ende Falkenauges Worte mit dem gewohnten Ausruf der Einwilligung. Mit einem Worte, Uncas und sein Vater bekehrten sich zu seiner Meinung und verließen ihre bisher verfochtenen Ansichten mit soviel Bereitwilligkeit und Offenheit, dass sie infolge eines solchen Mangels an Konsequenz sicher allen politischen Ruf eingebüßt hätten, wären sie Repräsentanten eines großen zivilisierten Volkes gewesen.
Sobald die Sache nun entschieden war, schien der Streit vergessen, mit allem was daran hing, ausgenommen seine Resultate. Ohne umzuschauen, um in den Augen der Zuhörer einen Triumph zu lesen, streckte Falkenauge seine hohe Gestalt ruhig vor dem erlöschenden Feuer auf die Erde nieder und schlief ein.
So gleichsam sich selbst überlassen, benützten die Mohikaner, die sich seither so ausschließlich den Interessen anderer gewidmet hatten, diesen Augenblick für sich selbst. Mit einem Male den Ernst und die Strenge des Indianerhäuptlings ablegend, begann jetzt Chingachgook in dem sanften und heiteren Tone der Zärtlichkeit zu seinem Sohne zu sprechen. Uncas begegnete vergnügt der vertraulichen Stimmung seines Vaters, und ehe das tiefe Atemholen des Kundschafters verriet, dass er eingeschlafen sei, war in dem Benehmen seiner beiden Gefährten ein völliger Wechsel vorgegangen.
Wir versuchen nicht, den Wohllaut dieser Sprache für Ohren, die so melodische Töne noch nie gehört haben, zu beschreiben, während sich die Mohikaner in Scherzen und Liebkosungen ergingen. Ihre Stimmen, besonders die des Jünglings, waren von wundervollem Umfang und vereinigten den tiefsten
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