Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Einfluss besitze. Er behielt daher die Erstere im Bereiche seiner Hand und vertraute die Letztere, auf welche er am meisten Wert legte, der Haft seiner Verbündeten an.
Diese Anordnung, die übrigens nur für den Augenblick getroffen war, sollte einesteils seinen Nachbarn schmeicheln, andernteils einer unumgänglichen Regel indianischer Politik huldigen.
Während der Häuptling unaufhörlich von den Rachegefühlen gestachelt wurde, die in einem Wilden selten schlummern, behielt er seine bleibenderen, persönlichen Interessen nichtsdestoweniger im Auge. Die Torheiten und Treulosigkeiten seiner Jugendzeit mussten durch eine lange und peinvolle Buße gesühnt werden, ehe er auf den vollen Wiedergenuss des alten Vertrauens hoffen durfte, und ohne Vertrauen war bei einem Indianerstamm an kein Ansehen zu denken. In dieser schwierigen und misslichen Lage hatte der listige Eingeborene kein Mittel versäumt, seinen Einfluss zu vergrößern; und eines seiner glücklichsten Mittel war der Erfolg gewesen, mit welchem er die Gunst ihrer mächtigen und gefährlichen Nachbarn gewonnen hatte. Das Ergebnis seiner Mühen hatte allen Erwartungen seiner Politik entsprochen: Denn die Huronen waren keineswegs frei von dem mächtigen Hange der menschlichen Natur, jeder Gabe nur in dem Grade Wert beizumessen, als sie von anderen geschätzt wird.
Während aber Magua den Rücksichten für das Gemeinwohl dieses vorgebliche Opfer brachte, ließ er seine persönlichen Beweggründe nie außer Acht. Die unvorhergesehenen Ereignisse, die alle Gefangenen seiner Gewalt entzogen hatten, waren ihm sehr in den Weg getreten, und er sah sich jetzt in die Notwendigkeit versetzt, diejenigen um eine Gunst anzugehen, denen er noch vor so kurzer Zeit Verbindlichkeiten aufzuerlegen sich bemüht hatte.
Mehrere Häuptlinge hatten listig angelegte, verräterische Pläne zu einem Überfall der Delawaren vorgelegt, um durch Eroberung ihres Lagers mit einem Schlage auch die Gefangenen wiederzugewinnen: Denn alle waren darüber einig, die Ehre und das Interesse ihrer Nation, der Friede und die Glückseligkeit ihrer gefallenen Landsleute erheischten gebieterisch einige Opfer für ihre Rache. Aber es wurde Magua nicht schwer, Pläne verwerfen zu machen, deren Ausführung so gefahrvoll und deren Erfolg so zweifelhaft war. Er setzte die damit verbundenen Wagnisse und die möglichen Täuschungen mit gewohntem Geschick auseinander, und erst nachdem jedes Hindernis, das ihm andere Meinungen brachte, beseitigt war, wagte er es, mit seinen eigenen Vorschlägen herauszutreten.
Er fing damit an, der Eigenliebe seiner Zuhörer zu schmeicheln, ein untrügliches Mittel, sich Aufmerksamkeit zu sichern. Nachdem er die vielen Anlässe aufgezählt, bei denen die Huronen, Beleidigungen rächend, ihren Mut und ihre Tapferkeit gezeigt hätten, schweifte er in ein beredtes und hohes Lob der Weisheit ab. Er zeichnete ihnen, wie diese Tugend den großen Unterschied zwischen den Bibern und anderen Tieren, zwischen diesen und den Menschen, und endlich insbesondere zwischen den Huronen und den übrigen Geschlechtern der Menschen bilde. Nachdem er das Gewicht der Besonnenheit gehörig hervorgehoben hatte, ging er darauf über zu zeigen, wie sie in der jetzigen Lage des Stammes in Anwendung zu bringen sei. Auf der einen Seite, sprach er, blickte ihr großer, blasser Vater, der Statthalter von Kanada, mit unmutigem Auge auf seine Kinder, seit ihre Tomahawks so gerötet seien; auf der anderen Seite würde ein Volk, so zahlreich als sie selbst, eine andere Sprache redend, und mit ganz verschiedenen Interessen, welches sie nicht liebe, jeden Vorwand willkommen heißen, die Huronen bei ihren großen, weißen Häuptlingen in Ungnade zu bringen. Er sprach sodann von ihren Bedürfnissen, von den Belohnungen, welche sie für ihre früheren Dienste anzusprechen hätten, berührte die Entfernung von ihren eigenen Jagdgebieten und Stammesdörfern – die Notwendigkeit endlich, unter so misslichen Umständen mehr die Klugheit als die Neigung um Rat zu fragen. Als er gewahrte, dass zwar die älteren Männer seiner Mäßigung Beifall zollten, viele der wildesten und ausgezeichnetsten Krieger aber mit finsteren Blicken seine listigen Pläne anhörten, so führte er sie schlau auf einen Gegenstand zurück, den sie am meisten liebten: Er redete offen von den Früchten ihrer Weisheit, die, wie er kühn aussprach, ein vollständiger, endlicher Triumph über ihre Feinde sein würden. Ja, er deutete an, dass bei
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