Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
»Die Franken wollen Medina Barshaluna, aber wir werden ihnen einreden, dass sie Saraqusta wollen. Ich werde euch erzählen, wie die Franken Iruña geknackt haben. Sie haben ihnen einen Köder vor die Nase gelegt, der sie sowohl an ihrer Ehre packte und der zugleich so aussah, als könnten sie gefahrlos danach schnappen. Aber sie wurden hereingelegt – versteckte Panzerreiter, Bogenschützen und ein todesmutiger Anführer haben den Franken den Sieg gebracht.«
Afdza nahm diese Neuigkeiten innerlich überrascht, aber ohne äußere Regung auf. Er spürte, wie die beiden Verbündeten Suleimans ihn erst fassungslos und dann mit immer größerem Misstrauen betrachteten. In ihm stieg ein Gedanke auf: Roland!
»Dein …«, begann al-Husayn, auf Afdza deutend.
»… bester Mann?«, half Suleiman höflich aus.
»… hat das schon vorher gewusst. Das ist ein billiger Trick, Herr!«
Suleiman schüttelte den Kopf. Er blickte jetzt ernst. »Nein, hat er nicht. Ich schwöre es beim Wort des Propheten.«
Musa bin Fortun suchte nach Worten. »Wie … wie konntest du das wissen?«, fragte er schließlich Afdza vollkommen außer sich.
»Ich weiß es nicht, Herr«, sagte Afdza, der nicht weniger außer sich war, aber es nicht zeigte.
»Wer ist nun der beste Oberbefehlshaber? Der, der denkt, es steht ihm zu, oder der, der in der Lage ist, den Feind instinktiv richtig einzuschätzen?«, fragte Suleiman.
Al-Husayns Mund arbeitete. Sein Gesicht war dunkel geworden, und Afdza erkannte, wie wütend und zugleich ratlos der Statthalter von Saraqusta war. Al-Husayn würde ab sofort ein Feind sein, sowohl seiner als auch Suleimans.
»Na also«, sagte Suleiman. Er zog sein Schwert aus der Scheide und ließ die Spitze mit einem metallischen Laut auf das Mosaik prallen. Sie deutete auf einen Punkt nur wenige Meilen nordwestlich von Saraqusta, bei einer kleinen Stadt namens Siya, die, wie Afdza sich erinnerte, auf einem Felsplateau gebaut und vom verästelten System eines Flusses namens Arba umgeben war. »Afdza wird die Franken hier aufhalten. Das Gelände ist ideal – es ist sumpfig, so dass sie ihre Panzerreiter nur schlecht einsetzen können, es gibt nur eine vernünftige Furt durch den Fluss, und die Brücke lässt sich leicht verteidigen, weil sie direkt unterhalb der Stadtmauern liegt, so dass die Franken kein Umfassungsmanöver starten können.«
»Wieso sollen die Franken ausgerechnet hier durchziehen?«, erkundigte sich Musa bin Fortun.
»Weil wir es genauso machen wie sie selbst vor Iruña«, erklärte Afdza, dem mit einem Schlag klar geworden war, was Suleiman plante. »Wir bieten ihnen einen Köder an: Saraqusta!«
Al-Husayn blickte zornig, doch Suleiman hob die Hand, bevor sein Verbündeter weitere Einwände erheben konnte. »Du wirst den Franken eine Botschaft zuspielen, dass du ihnen die Tore von Saraqusta öffnen wirst, wenn sie dich als Statthalter über alle nordhispanischen Städte einsetzen. Das werden sie annehmen, weil sie nichts nötiger brauchen als einen Verbündeten, der ihr Heer verpflegt. Sie werden nach Saraqusta marschieren und bei Siya auf Afdzas Krieger stoßen.«
»Und wie sollen Afdzas Krieger gegen die Franken kämpfen, wenn dort keine Reiterei eingesetzt werden kann?«, fragte al-Husayn höhnisch.
»Wir werden einen Schildwall aufstellen«, sagte Afdza ruhig. Nun durchschaute er den gesamten Plan Suleimans. Er bewunderte ihn für seine Kühnheit und erschauerte zugleich innerlich, weil er nach Verzweiflung roch. Der Statthalter setzte alles auf einen Mann: auf ihn.
»Einen Schildwall?«, wiederholte al-Husayn ungläubig. »Das ist die Art der Franken zu kämpfen. Damit hat sich Karls ungläubiger Großvater bei Poitiers unseren Kriegern entgegengestellt!«
»Und hat gewonnen«, sagte Afdza trocken. »Es wird Zeit, dass wir anfangen, von den Feinden zu lernen.« Ihm war klar, weshalb al-Husayn und auch der zweifelnd dreinblickende Musa ibn Fortun dem Gedanken an einen Schildwall nichts abgewinnen konnten. Es war das Erbe des maurischen Volkes, das vor zweihundert Jahren noch eine sich gegenseitig und alle anderen ausraubende Koalition verschiedener Stämme gewesen war. Ihre Taktik war, mit schnellen Pferden den Gegner anzugreifen, seine Reihen zu sprengen, zu töten und zu plündern und wieder zu verschwinden. Stoisch im Schildwall zu stehen, bis der Feind auf Griffweite herangekommen war, und dann Auge in Auge die beiderseitige Kraft und Tapferkeit zu messen, entsprach in keiner Weise dem
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