Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
flexiblen maurischen Gemüt. Aber für die Franken war es typisch. Ihre Überraschung würde riesig sein, wenn sie sich plötzlich mit ihrer ureigenen Taktik konfrontiert sähen.
Afdza sah die Emotionen über die Gesichter von Suleimans Verbündeten huschen. Er fühlte sich im Gegensatz zu ihnen vom maurischen Erbe nicht beengt. So sehr sich al-Husayn und Musa ibn Fortun zu dem Gedanken zwingen mussten, ihre Krieger im Schildwall kämpfen zu lassen, so selbstverständlich war er Afdza gekommen. Er fing den anerkennenden Blick Suleimans auf und fuhr mit der Schilderung seiner Taktik fort.
»Die Franken werden sich Mann gegen Mann im Schildwall stellen müssen – ein Heer, das seit Wochen marschiert ist, ungenügend ernährt wurde, sicherlich auf der ganzen Strecke von vasconischen Überfällen belästigt worden ist und jetzt auch noch die Hoffnung auf die Einnahme von Saraqusta in den Wind schreiben muss. Wir werden sie aufhalten.«
»Aufhalten genügt nicht«, knurrte al-Husayn. Er wandte sich an Suleiman. »Wir müssen sie vernichten. Ihr habt die Franken mit Eurem Friedensangebot nach al-Andalus gelockt, Herr – beweist uns, dass das kein Fehler war!«
Suleiman ignorierte al-Husayns Provokation. Er berührte Afdza leicht am Oberarm und sah zu ihm hoch. »Du weißt, wem Karls Krieger jetzt folgen, nicht wahr? Schlag die Franken, Sidi«, sagte er. »Schlag Roland von Roncevaux.«
Afdza kehrte in seine Gemächer zurück und fühlte sich so zerrissen wie nie zuvor. Der bevorstehende Kampf war bei Weitem nicht der erste, in den er für Suleiman ibn al-Arabi zog. Aber bisher war es ihm immer leichtgefallen, den Krieger in sich zu wecken und sich von seinen Instinkten leiten zu lassen. Diesmal jedoch fiel es ihm schwer, so zu denken wie Afdza Asdaq, der von den Feinden gefürchtete und von den Soldaten von Medina Barshaluna im Gefecht vergötterte Sidi – und dann dachte er wie Afdza Asdaq, der die große Liebe gefunden hatte und nicht wusste, wie er sie halten sollte. Und der sich innerlich weigerte, gegen einen Feind zu ziehen, in dessen Reihen ein Mann war, dessen Freundschaft Afdza teuer war. Sie würden sich im Schildwall gegenüberstehen, er und Roland. Und die Begegnung würde kein launiger Wettkampf mehr sein.
Es stand durchaus nicht fest, dass Afdzas Schildwall die Franken aufhalten würde. Er hatte sicherer gesprochen, als er sich selbst fühlte. Den Franken war der Kampf im Schildwall vertraut, den maurischen Kriegern nicht. Würden sie den kräftigen Kriegern aus dem Norden standhalten? Oder hatte Afdza ein Versprechen gegeben, das er nicht halten konnte?
Chlodwig erwartete ihn. Er hielt heißes, parfümiertes Wasser in einem Silberbecken und erhitzte Tücher bereit. Afdza wusch sich die Hände und das Gesicht und trocknete sich mit den Tüchern. Er zwang sich, den Sachsen anzulächeln. »Du siehst blass aus, mein Freund«, sagte er.
»Herr«, platzte Chlodwig heraus, »wenn du für die drei Frauen, die der Wali mir zum Geschenk gemacht hast, nicht eine Beschäftigung findest, die sie am Abend erschöpft ins Bett fallen lässt, bin ich ein toter Mann.«
»So schlimm, hm?«, fragte Afdza.
Chlodwig gab Afdzas forschenden Blick zurück, aber dann konnte er ein Grinsen nicht mehr unterdrücken. »Viel schlimmer«, sagte er genüsslich.
»Bald bekommst du eine Pause. Wir ziehen gegen die Franken. Iruña ist gefallen. Wir müssen sie vor Saraqusta aufhalten.«
»Aufhalten allein wird nicht reichen«, sagte Chlodwig. »Die Franken muss man vernichten, wann man sie sich vom Hals halten will.«
»Das habe ich eben auch schon gehört«, erwiderte Afdza düster.
»Scurfa hat das immer gesagt. Er war gegen einen offenen Aufstand. Er sagte, wir hätten keine Chance.«
»Scurfa«, erklärte Afdza, »war ein schlauer Mann, aber nicht schlau genug, den Dux de Gascogne zu meiden.«
»Er meinte«, fuhr Chlodwig fort, »dass die Franken jede offene Rebellion niederschlagen würden. Karl würde sofort mit einem Heer in die Sachsengebiete einrücken, wenn sich ein Aufstand abzeichne, und wenn er vom Ende der Welt heranmarschieren müsse. Das Sachsenland sei zu wichtig für die Sicherung der fränkischen Ostgrenze, als dass Karl jemals darauf verzichten würde. Und dann sagte er immer, dass man die Franken mit vielen Nadelstichen quälen müsse, weil sie für einen Schwertstoß zu viel Speck auf den Rippen hätten. Und …«
»Was hast du da gesagt?«, fragte Afdza.
Ȇber die Franken? Dass sie zu viel
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