Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
ehrlich zu Euch sein, Herr?«
Suleiman lachte. »Nicht, wenn es die Anzahl der grauen Haare auf meinem Kopf betrifft, nicht, wenn ich frage, ob meine Kraft immer noch die eines jungen Mannes ist, und nicht, wenn ich mich erkundige, ob Laila und Nuri auch dieser Meinung sind. Aber sonst – immer!«
»Deine Krieger, Herr, die unter meinem direkten Befehl stehen, werden im Schildwall standhalten. Die von Musa ibn Quasi sind mit ihrem neuen Statthalter noch zu wenig bekannt; es wird ihnen an Vertrauen fehlen. Die von al-Husayn werden fliehen, wenn die Lage kritisch wird, weil ein unsicherer, illoyaler Anführer auch unsichere, illoyale Krieger hat. Die Krieger von Medina Barshaluna allein aber können die Franken nicht vernichten.«
»Die Franken haben kaum Vorräte, und der Winter naht.«
»Das weiß Karl auch, und darum werden seine Männer mit doppelter Anstrengung kämpfen.«
»Wir werden sie also deiner Ansicht nach nicht vernichten können, Sidi?« Suleiman musterte Afdza schweigend. Afdza wich dem Blick des Statthalters nicht aus, als er den Kopf schüttelte.
»Was tun wir dann, um sie aufzuhalten?«, fragte Suleiman zuletzt.
Afdza lächelte und dachte an das, was Chlodwig in aller Unschuld gesagt hatte. »Wir bringen Sie dazu, dass sie uns ein Friedensangebot machen, Herr, das wir nicht ablehnen können.«
Die Besprechung mit Afdza hinter sich, schlenderte Suleiman ibn al-Arabi ohne sichtbare Eile zu seinen Privatgemächern im Statthalterpalast; die zwei Leibwächter, die er vor Afdza Asdaqs Tür hatte stehen lassen, im Schlepptau. Er war bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie es in ihm aussah. Zorn kochte in ihm, darüber, wie die Dinge sich entwickelt hatten, über die Schwäche der nördlichen Statthalter al-Andalus’, die sowohl dem Emir von Qurtuba als auch Eindringlingen wie den Franken gegenüber wehrlos waren, weil sie sich untereinander stritten, anstatt zusammenzuhalten. Mehr noch als Zorn verspürte er Sorge. Er hatte sich auf ein riskantes Spiel eingelassen, um den Frankenkönig zu diesem Feldzug zu provozieren, und wie es aussah, hatte er den Bogen überspannt. Dass die Franken noch in diesem Jahr den Pass überschreiten würden, damit hatte er nicht gerechnet. Nun schien es, dass der Plan nach hinten losging. Nicht nur waren die Franken zu früh gekommen, auch der Emir bündelte seine Kräfte gegen Suleiman und seine Verbündeten. Statt einen Zweifrontenkrieg zu vermeiden, indem er die Franken über den Pass lockte, bevor Emir Abd ar-Rahman seine eigenen politischen Gegner beseitigt hatte und sich auf die abtrünnigen nördlichen Provinzen stürzte, hatte er ihn geradezu heraufbeschworen. Es war eine Kettenreaktion, von der Suleiman sich mitgerissen fühlte: Hätte er die Franken nicht provoziert, hätten sie keinen Krieg gegen al-Andalus geplant; hätte der Überfall auf Roncevaux nicht stattgefunden, wären sie nicht schon in diesem Jahr gekommen; wären sie erst nächstes Jahr gekommen, hätte Suleiman Zeit gehabt, ein adäquates Heer aufzustellen und zu trainieren; hätte er ein solches Heer gehabt, hätte er die Franken schlagen können, anstatt auf den Widerstand der Vasconen hoffen zu müssen, den die Franken letztlich beiseitegefegt hatten; und hätte er die Franken geschlagen, hätte der Emir es nicht gewagt, sein eigenes Heer in Marsch zu setzen. Und dann wäre nicht plötzlich Afdza Asdaq und dessen verrückter Plan die beinahe letzte Hoffnung für Suleiman gewesen.
Der Statthalter lächelte trotz seines Ärgers, als er an Afdza dachte. Wenigstens dieser von langer Hand geplante Shatranjzug hatte sich als gut erwiesen.
Einer seiner vielen Palastbeamten näherte sich ihm. Die Leibwächter traten ihm in den Weg, aber Suleiman bedeutete ihnen, dass sie den Mann durchlassen sollten. Der Beamte flüsterte Suleiman etwas ins Ohr, und dieser nickte. Äußerlich gelassen schlenderte er weiter zu seinen Gemächern. Suleimans Leibwächter wollten ihm wie üblich durch die Tür folgen, doch der Statthalter winkte ab. Auf die Begegnung, die der Hofbeamte ihm angekündigt hatte, hatte er gewartet. Es war eine Begegnung, bei der er keine Zuschauer gebrauchen konnte.
Als er eintrat, saß eine Frau auf einem Diwan. Sie war nicht mehr ganz jung, aber Suleiman konnte erkennen, dass sie in ihrer Blüte eine Schönheit gewesen war, und auch jetzt war sie noch außergewöhnlich attraktiv. Die Frau gab Suleimans Musterung ohne jede sichtbare Gefühlsregung zurück. Ihr Haar, nur halb
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