Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
verborgen unter einem kostbaren Tuch, war brünett und voll und glänzte von pflegenden Ölen. Suleiman fühlte Begehren in sich aufsteigen. Er fragte sich zum tausendsten Mal, weshalb die Franken ihren Frauen nicht so wie die Mauren befahlen, ihr Haar in der Öffentlichkeit zu verbergen. Ahnten sie nicht, wie erregend sein Anblick für jeden Mann war – oder fühlten sie diese Erregung nicht? Es war ohnehin die Frage, was so einen stämmigen, grobschlächtigen Frankenkrieger erregte. Das Verlangen, das der Blick aus zwei Augen über einem verschleierten Gesicht wecken konnte oder die Hennamuster auf dem schmalen Handrücken einer eleganten Frau, musste ihnen vollkommen unbekannt sein.
Jedenfalls war die Frau auf dem Diwan eine Fränkin. Sie kannte vermutlich nicht die Sitte der maurischen Frauen, ihre Körperbehaarung zu entfernen. Sie hielt Wasser wahrscheinlich für etwas, das nur zum Trinken für die Pferde gedacht war, und wäre der Glanz ihres Haars nicht gewesen, hätte Suleiman gewettet, dass es nicht nach Parfüm, sondern nach Fett und Schweiß roch, wenn man die Nase hineintauchte und schnupperte. Dennoch sprach etwas in Suleiman auf sie an. Er wusste, dass sie einen Ehemann hatte; irgendwo im Hintergrund seines Denkens regte sich die brünstige Frage, ob sie die gleiche spröde, unflexible Moral wie alle Ungläubigen besaß, was die fleischlichen Genüsse betraf, oder ob sie sich von ihm würde verführen lassen. Aber er riss sich zusammen. Er hatte ihrer Bitte um ein Gespräch nicht nachgegeben, um herausfinden, wie die fränkischen Frauen im Bett waren. Er hatte sie hergebeten, weil sie unwissentlich dafür sorgen würde, dass Afdza Asdaqs Plan aufgehen würde. Den hatte es zwar noch nicht gegeben, als Suleiman vor vielen Tagen ihre geheime Botschaft erhalten hatte; aber man musste die Geschenke des Schicksals nehmen, wie sie kamen. Deshalb war Suleiman ein beträchtliches Risiko eingegangen, sie ungesehen hierherbringen zu lassen. Und weil die ganze Angelegenheit mit Verrat nach allen Seiten zu tun hatte, hatte er sorgfältig darauf geachtet, dass Afdza Asdaq nichts davon erfuhr.
Er lächelte ihr zu. »Wie soll ich dich ansprechen, Herrin?«, fragte er in fehlerfreiem Fränkisch. »Welche Anrede geziemt der Schwester des Frankenkönigs?«
Bertha de Laons Blick irrte ab und fiel über Suleimans Schulter. Suleiman fuhr herum, doch der Mann stand bereits vor ihm.
Nachdem Afdza seinen Plan erläutert hatte und Suleiman gegangen war, ohne die Dienste Lailas und Nuris zu beanspruchen, lehnte Afdza sich nachdenklich zurück. Er fragte sich, ob er nun Suleiman die Treue gebrochen hatte. Sicher würden, wenn alles so klappte, wie Afdza hoffte, die maurischen Fürstentümer im Norden von al-Andalus vor den Franken gerettet sein – oder wenigstens eine Verschnaufpause erhalten, bis Karl mit einem größeren Heer und besser vorbereitet zurückkehrte. Diese Verschnaufpause konnten die nördlichen Statthalter und Verbündeten von Suleiman ibn al-Arabi nutzen, ihre eigenen Eifersüchteleien beizulegen und mit dem Emir von Qurtuba zu einer Einigung zu gelangen, so dass sie einem erneuten Einfall der Franken eine geeinte maurische Front entgegensetzen konnten. Doch das war schon Politik, und Afdza war ein Krieger.
Nein, er war sich seiner Loyalität deswegen unsicher, weil er seinen Plan in erster Linie nicht entworfen hatte, um al-Andalus zu retten – sondern um Arima auf Burg Roncevaux ihre Neutralität wiederzugeben. Wenn es die Franken waren, die ein Friedensangebot machten, hatten Suleiman und die anderen Statthalter die bessere Verhandlungsposition, und keiner von ihnen würde zulassen, dass der Pass in fränkischer Hand blieb. Karl wiederum würde Roncevaux nicht unter maurische Herrschaft fallen lassen. Man würde sich auf den Status einigen, den Roncevaux vorher bereits besessen hatte. Es war Afdzas Hochzeitsgeschenk an Arima, auch wenn sie es niemals erfahren würde und auch wenn er beim bloßen Gedanken daran die Zähne zusammenbeißen musste. Mit etwas Glück würde das Hochzeitsgeschenk auch noch die sichere Heimkehr des Bräutigams beinhalten – wenn alles glattging.
Afdza blickte auf, als Laila und Nuri wieder hereinkamen. Sie trugen nur noch eines der Tablette mit den Badeutensilien. Sie lächelten ihn an, und bei ihrem Anblick wurde sich Afdza plötzlich der Einsamkeit bewusst, die er seit dem Abschied von Arima fühlte. Er hatte die Liebesdienste der beiden jungen Frauen in letzter Zeit
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