Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
sehen, wie er seine Verwirrung in Wut zu verwandeln versuchte, weil er mit der Wut viel besser umgehen konnte als damit, dass seine Welt gerade eingestürzt war. »Ist das deine Rache dafür, Arima, dass ich mir angemaßt habe, dich zu lieben?«
Arima ignorierte die Anschuldigung, obwohl sie wie ein Messer war, das in ihrem Herzen herumgedreht wurde. »Ganelon hat es mir selbst gestanden, Roland.«
»Und warum ist er dann nicht mitgekommen? Wenn er schon wieder so weit ist, solche Geschichten zu erzählen, scheint es ihm ja besser zu gehen! Aber er wagt es nicht, mir diese Lüge ins Gesicht zu erzählen!«
»Ganelon stirbt, Roland«, sage Arima sanft. »Er ist auf Roncevaux. Als ich ihn zum letzten Mal sah, konnte er seine Arme und Beine nicht mehr bewegen.«
Roland starrte sie an. »O mein Gott!«, sagte er fassungslos.
»Es ist nicht deine Schuld.«
Rolands Augen flackerten. »Was für ein Tod für einen Krieger. Und was für ein Geflecht aus Lügen.« Er räusperte sich, offensichtlich verlegen darüber, zu welcher Bemerkung er sich vorhin hatte hinreißen lassen. »Arima – Karl hat nie den Befehl gegeben, Roncevaux zu zerstören! Und selbst wenn, hätte ich diesen Befehl verweigert, und wenn ich allein Roncevaux gegen das fränkische Heer hätte verteidigen müssen. Glaubst du mir das?«
»Diese Lüge hat unsere Mutter mir erzählt«, sagte Afdza. »Zweifellos hat Suleiman ihr diese Finte eingeredet – damit die Vernichtung eines großen Teils des fränkischen Heers sichergestellt ist und Karl es nie wieder wagt, einen Feldzug gegen die Mauren zu unternehmen. Ich denke, es ist Suleimans lange geplante Rache für Karls Verrat damals. Wir sind alle Figuren auf den Spielbrettern anderer Leute.«
»Bertha hat Ganelon dazu gebracht, von Karl das Kommando über die Nachhut zu fordern«, erklärte Arima. »Das sollte verhindern, dass Karl den Befehl über die Nachhut dir überträgt. Ganelon wollte aus Liebe in den Tod gehen, aus Liebe zu dir und zu eurer Mutter. Dass du und er in Streit geraten und Ganelon dabei so schwer verletzt würde, dass die Führung der Nachhut am Ende doch an dich fiel, damit hat niemand gerechnet.«
»Doch – Suleiman!«, sagte Afdza plötzlich. »Deshalb hat er mich zur Unterzeichnung des Friedensvertrags zu Karl geschickt, deshalb hat er mir als Geschenk den Olifant mitgegeben. Er wusste genau, wie du darauf reagieren würdest, Roland. Er wollte Karl so empfindlich treffen, wie es nur ging. Ganelons Tod beim Untergang der Nachhut hätte Karl geschmerzt, aber nicht erschüttert. Dein Tod jedoch, an dem zweifellos Bertha ihm die Schuld geben würde … Ich glaube, Suleimans Plan war, Karl so allein und von allen verlassen dastehen zu lassen, wie er sich damals gefühlt hat, als er sich an ihn um Hilfe wandte und feststellte, dass er betrogen werden sollte.«
»Auch Bertha hat aus Liebe gehandelt«, sagte Arima. »Sie hat damals Milan verraten, indem sie ihn mit Ganelon betrog, sie hat heute Karl verraten, sie hat Ganelon verraten, sie hat Afdza verraten, ohne es zu wissen … Und all das geschah immer nur aus Liebe und aus Angst, ihren vermeintlich einzigen Sohn zu verlieren. Dich.«
»Was für eine sinnlose Tragödie«, stieß Roland hervor. »Und was nützt uns das Wissen darüber?«
»Alles kann sich noch zum Guten wenden«, sagte Arima drängend. »Warum willst du dich nicht Afdza ergeben? Im Licht dessen, was du jetzt weißt, ist das doch keine Schande mehr.«
Roland holte Atem. Sein Gesicht war von einem inneren Kampf verzerrt. Was er sagen wollte, blieb jedoch ungesagt, denn Turpin stürzte ins Zelt, das Schwert gezogen.
»Schnell, kommt raus!«, rief er. »Schnell, schnell!«
Er hatte so dringend geklungen, dass sie nicht zögerten, sondern dem Bischof nach draußen folgten.
Afdza rief Arima zu: »Bleib im Zelt, da ist es sicherer!«
Sie ignorierte ihn.
Zwei fränkische Krieger hatten einen Mann herbeigeschleppt. Der Mann lag auf dem Boden und stöhnte. Zwei Pfeile steckten in seinem Körper, aber die Verletzungen schienen nicht tödlich zu sein. »Gut Freund«, hörte Arima ihn murmeln. »Ich habe eine Botschaft … eine Botschaft …« Er stöhnte erneut. »Gut Freund …«
»Er hatte keine Parlamentärsflagge, und er sah aus wie ein Maure«, rechtfertigte sich einer der Franken.
Arima kniete neben dem Mann nieder. »Weil er ein Maure ist , du Narr!«, hörte sie sich sagen.
Sie spürte, wie Afdza sich über sie beugte. Der Verletzte blinzelte zu ihm
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