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Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hatte, zwang man sie abzusteigen. Die Sachsen trieben sie mit gezogenen Schwertern und vorgehaltenen Lanzen zum Palas der Burg. Roland musterte unter seiner Kapuze hervor die Dienstboten und Sklaven, die sich überall zu schaffen machten; sie wirkten weder eingeschüchtert noch voller Hass gegenüber den neuen Burgherren, und Roland rief sich in Erinnerung, dass die meisten von ihnen aus der Umgebung stammten und vermutlich die Einnahme der Burg durch Scurfa eher begrüßten als ablehnten. Der Feind hier waren immer noch sie, die Franken, und nicht die Sachsen.
    Heritogo Scurfa war ein mittelgroßer Mann mit einem langen, hohlwangigen Gesicht und einem buschigen Schnurrbart, dessen Enden er bis zum Kinn hatte herunterwachsen lassen. Roland hatte ihn noch nie persönlich getroffen, doch er erkannte ihn aus den Beschreibungen seiner Waffenkameraden wieder. Scurfa galt als ein listenreicher Krieger, dem ein Versprechen wenig galt, wenn ihm der Verrat einen Vorteil brachte. Er hatte keine Skrupel, einem Mann, dem er eben noch Gnade auf dem Kampfplatz gewährt hatte, den Dolch zwischen die Schulterblätter zu rammen, sobald dieser sich abgewandt hatte. Seine Bewaffnung passte zu ihm.
    Die meisten Sachsen waren schnell dazu übergegangen, den Sax, ein armlanges, einschneidiges Haumesser, das ihrem Volk den Namen gegeben hatte, gegen die von toten fränkischen Gegnern erbeutete Spatha einzutauschen. Diese war gut eineinhalb Mal so lang wie ein Sax, besaß zwei Schneiden, war mit einem Knauf am Griffende besser austariert und schützte die Hand ihres Besitzers im Gefecht durch ein ausgeprägtes Querstück zwischen Griff und Klinge. Jeder adlige fränkische Krieger besaß eine solche Spatha. Die besten Waffen stammten aus den Ulfberth-Manufakturen, die so gute Ware herstellten, dass sie außerhalb des fränkischen Einflussgebiets nicht gehandelt werden durften – und Waffenschmuggel mit dem Tod bestraft wurde. Rolands Schwert stammte aus einer namenlosen Manufaktur, doch wie alle jungen Frankenkrieger hegte er die heimliche Hoffnung, eines Tages über eine Waffe zu verfügen, die den Schriftzug Ulfberth auf der Klinge trug und so wertvoll wäre, dass er ihr nach Art der Krieger einen eigenen Namen geben würde.
    Scurfas Bewaffnung hingegen bestand aus dem traditionellen Sax, der in einer schmucklosen Lederscheide an seinem Gürtel hing – ein zweites Haumesser steckte, wenn man den Gerüchten glauben durfte, hinter seinem Rücken im Gürtel, versteckt hinter seinem Mantel. Der Griff eines weiteren Messers ragte aus einem seiner knöchelhohen Schnürschuhe. Scurfa konnte in einer vermeintlichen Geste der Unterwerfung sein Schwert dem Gegner vor die Füße legen und war danach immer noch eine gut bewaffnete Ein-Mann-Armee. Seine Wollhosen waren lang und anders als die der Franken nicht von den Knien abwärts mit Bändern umwickelt, sein rechteckiger Mantel war zweilagig und zweifarbig und wurde auf der rechten Schulter mit einer Fibel zusammengehalten. Er trug eine formlose Filzkappe auf dem Kopf. Um seinen Hals hing an einer massiven Goldkette ein ebenfalls goldener Anhänger mit einer stilisierten Darstellung der Irminsul, des sächsischen Weltenbaums.
    »Wen haben wir denn hier?«, fragte Scurfa in passablem Fränkisch und höhnisch grinsend. Er schlenderte zu Ealhwine, musterte ihn und fuhr dann mit der Hand über dessen Tonsur. Der angelsächsische Gelehrte zuckte zusammen und straffte sich unter Scurfas Musterung. »Ein guter Diener des Christengottes, der sich das Haar abrasiert hat, damit der Segen des toten Mannes am Kreuz leichter in sein Gehirn dringt.«
    Die Sachsenkrieger lachten, aber es klang wie das Lachen von Männern, die einen Witz schon zum hundertsten Mal gehört hatten.
    Scurfa trat zu Turpin. »Und hier – noch ein Diener des Christengottes, diesmal ein hochrangiger, der sich fein gemacht hat, damit er seinem Herrn und Meister auch auffällt, wenn dieser aus den Wolken herunterschaut. Ich würde Latein mit dir sprechen, römischer Herr, wenn ich es könnte … und wenn es nötig wäre.«
    Roland horchte auf. Er brauchte nicht Turpins plötzlich angespannte Miene zu sehen, um zu merken, dass etwas soeben gründlich schiefzugehen begann. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Scurfa ließ von Turpin ab, baute sich vor Roland und Remi auf – und zog ihnen mit einem Ruck die Kapuzen nach hinten. Er grinste übers ganze Gesicht und legte jedem von ihnen wie freundschaftlich eine Hand auf die Schulter,

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