Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
feindlichen Blöcken eingeklemmt zu sein – dem Emirat im Süden und dem Frankenreich im Norden«, ergänzte Roland, der mehr über die Verhältnisse nachgedacht hatte, als Turpin offensichtlich ahnte, aber zu neugierig auf die Erklärung des Bischofs gewesen war, um dessen Ausführungen abzukürzen.
Turpin nickte. »Genau, denn die Franken und die Mauren wären dann ja Verbündete – und wir hätten die unermesslichen Reichtümer des Emirs mit nach Hause nehmen können. Es klang nach einer guten Sache … Aber dem Emir muss die Sache zu Ohren gekommen sein. Er schickte Krieger aus, um Milans Gesandtschaft abzufangen.«
»So weit ist mir die Geschichte klar …«
»Ja? Ich dachte mir schon, dass du klüger sein musst, als du aussiehst. Wusstest du aber auch, dass einer der Krieger, die ihn begleiteten, Piligrim war? Damals war er noch keiner von den Paladinen.«
Das überraschte Roland. »Nein, das wusste ich nicht.«
»Ist aber so. Bevor sie das Gebirge erreichten, schickte dein Vater Piligrim mit einer Botschaft zurück an euren Hof in Otun. Piligrim überbrachte die Botschaft und kehrte danach sofort wieder zu Milan zurück. Dein Vater und seine Gesandtschaft hatten mittlerweile das Gebirge überquert und maurisches Gebiet betreten. Als Piligrim endlich auf sie stieß …«
»… fand er nur noch das, was die Aasfresser übriggelassen hatten«, murmelte Roland.
Turpin nickte langsam. »Sie hatten sich gewehrt – und wie. Milans Gesandtschaft war etliche Dutzend Mann stark, und sie hatten einigen ihrer Angreifer den Garaus gemacht, bevor man sie alle erschlug. Die toten Feinde lagen zwischen unseren Männern, erkenntlich an den Teilen ihrer Ausrüstung, die von Plünderern verschmäht worden waren. Sie machten deutlich, was ohnehin jeder geahnt hatte: Die Angreifer waren Mauren gewesen. Der Emir hatte eine Falle gestellt, Milan war hineingetappt. Karl hat deinen Vater unwissentlich in den Tod geschickt.«
Roland schnaubte. »Meine Mutter hat König Karl das nie verziehen.«
»Deine Mutter, mein Junge, kann – wenn du mir ein offenes Wort erlaubst – überhaupt keinem Menschen irgendetwas verzeihen.«
Roland nickte erneut. Er blickte zu Remi hinüber, der sich aus dem Gespräch herausgehalten hatte. Dieser hob seine Schultern und machte ein mitfühlendes Gesicht.
»Dein Vater war ein tapferer Mann«, sagte Turpin. »Wäre er noch am Leben, wäre er jetzt ein Paladin und nicht dein Stiefvater Ganelon – was nicht heißen soll, dass Ganelon dieser Ehre nicht würdig wäre. Er ist es, und wie! Ich will damit nur sagen, dass auch dein Vater … nun, ein Held war.«
»Danke«, sagte Roland.
»Keine Ursache, mein Junge. Und jetzt hauen wir uns aufs Ohr. Morgen müssen wir es irgendwie hinkriegen, dass wir gefangen genommen werden. Da sollten wir ausgeschlafen sein.«
Roland suchte sich eine Stelle, um seine Decke auszurollen, und versuchte einzuschlafen; seine Gedanken kreisten unaufhörlich um seinen Vater und seine gefährliche Mission ins Maurenreich. Erst als Turpins Schnarchen mit dem Remis um die Wette ertönte, energisch begleitet vom Gesäge des einsamen Reisenden drüben an der anderen Wand, wurde Roland bewusst, dass der Bischof seiner eigentlichen Frage geschickt ausgewichen war. Was war so rätselhaft an Milans Tod, dass immer alle darüber tuschelten? Hing das vielleicht mit der ominösen Botschaft zusammen, die Piligrim nach Hause zurückgebracht hatte? Doch Roland war klar: Was immer es noch an Geheimnis um den Tod seines Vaters gab – von Turpin würde er es nicht erfahren.
SUSATUM
Der Überfall erfolgte, als sie nur noch ein paar Stunden von Susatum entfernt waren. Ein halbes Dutzend Sachsen sprengte aus einem Wäldchen heraus und stürzte sich mit Netzen, Knüppeln und Stricken auf sie.
»Na endlich«, stieß Turpin hervor, dann gab er seinem Pferd die Sporen und unternahm dem Anschein zuliebe einen Fluchtversuch, bevor er sich einfangen ließ. Roland und Remi ergaben sich vereinbarungsgemäß ohne Gegenwehr und mit so lautem Gejammer, dass die Sachsen nur verächtlich zischten und ihnen die Hände auf dem Rücken fesselten, ohne sich die Mühe einer genaueren Inaugenscheinnahme der vermeintlichen Mönche zu machen. Es war eine Sache von wenigen Minuten. Überraschend an der ganzen Angelegenheit war die Tatsache, dass die Sachsen bereits einen Gefangenen hatten, den sie, nachdem Turpin, Roland und Remi ordnungsgemäß verschnürt waren, aus ihrem Versteck
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