Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Geschicklichkeit hatte sie ebenso erschreckt wie erregt. Nun schien es, dass die drei Frankenkrieger, die zu ihrer Befreiung gekommen waren, nicht minder schlagkräftig waren. Der Burghof war mit Toten übersät. Wäre die Situation weniger hektisch gewesen, hätte der Anblick der vielen Opfer Arima wahrscheinlich überwältigt, aber so wie es war, kam sie nicht zum Nachdenken.
Ihre Gedanken fanden lediglich einen Halt: Der junge Franke, den Afdza beinahe getötet hätte, war also Roland, der Neffe Karls? Sie musterte ihn, als er und Afdza mit wenigen hastigen Worten diskutierten, was zu tun sei. Sie erwartete einen Disput, doch zu ihrer Verblüffung nickten sich die beiden Männer nur zu, dann übernahm Roland das Kommando über die fränkischen Gefangenen und Afdza das über die Mauren. In rasender Hast klaubten sie alles an Waffen auf, was sie den gefallenen Sachsen abnehmen konnten. Arima bückte sich nach einem Sax neben einem toten Sachsen, doch da war Afdza an ihrer Seite und schnappte sich die Waffe.
»Zu den Pferden, schnell!«, keuchte er. »Reite nach draußen, sobald hier drin der Kampf beginnt. Nimm den da mit, falls noch weitere Rebellen draußen herumlungern.« Er deutete auf den Sachsenkrieger. »Mit ihm als Geisel kannst du verhandeln.«
»Und du?«, rief Arima.
»Ich komme nach«, erwiderte Afdza. »Aber ich kann besser kämpfen, wenn ich dich in Sicherheit weiß.«
Arima überlegte nur einen Lidschlag lang. Sie wollte bei Afdza bleiben. Sie fühlte sich nirgendwo so sicher wie an seiner Seite, und sie hatte Angst um ihn, aber sie schwieg. Afdza hatte recht.
Der Maure drückte ihr den Sax in die Hand, dann packte er den Sachsen und zwang ihn auf die Knie. Der junge Mann keuchte auf und starrte nach unten. Afdzas Klinge war in seiner Kniekehle.
»Ein Ruck genügt, und du wirst nie wieder laufen«, grollte Afdza. »Kannst du mich verstehen?«
Der Sachse nickte mit vor Panik aufgerissenen Augen.
»Du bist jetzt ihre Geisel. Bei welchem Gott schwörst du?«
»W… Wodan«, stotterte der Sachse.
»Schwör bei Wodan, dass du dich wie eine Geisel benehmen wirst. Wenn ihr was geschieht, finde ich dich. Wenn du tot bist, hole ich dich aus deinem Grab und nehme mir deinen Schädel und sorge dafür, dass das große Fest in der Halle deines Gottes auf ewig ohne dich stattfindet, ist das klar? Und wenn du noch lebst, wirst du dir tagelang wünschen, dass du tot wärst. Schwör ihr die Treue.«
»Ich schwöre dir die Treue«, sagte der junge Mann überraschend fest. Afdza musterte ihn, dann zog er ihn in die Höhe. »Auch das ist mir recht«, sagte er. »Rasch jetzt zu den Pferden mit euch.«
Afdza rannte zu seinen Leuten. Von draußen ertönten wütendes Kampfgeheul und das sich nähernde Donnern von Pferdehufen. Arima packte den Sachsen an seiner Tunika, um ihn mit sich zu ziehen, doch der Mann lief von alleine.
Der ältere Krieger, der Ganelon bis hierher getragen hatte, machte sich an den Gäulen zu schaffen. Drei von ihnen waren bereits gesattelt. Ganelon lag neben ihm auf dem Boden und versuchte auf die Beine zu kommen. Arima erschrak, als sie ihn sah – der Paladin bot einen schrecklichen Anblick.
»Ich will … kämpfen …«, flüsterte er und brach wieder zusammen, kaum dass er auf die Knie gekommen war.
Turpin fuhr herum, als Arima bei ihm anlangte. Er warf einen Blick auf ihren Begleiter, dann lag der Sachse auf dem Rücken, das Schwert des Franken an der Kehle. Arima hatte kaum reagieren können, so schnell hatte der alte Krieger sich bewegt.
»Nicht!«, rief sie und hielt den Arm des Mannes fest. »Er ist meine Geisel.«
»Hat er …?«
»Er hat die Treue geschworen!«
Der Franke warf Arima einen Seitenblick zu, dann ließ er das Schwert sinken. »Du bist Arima Garcez? Ich bin Turpin Uí Néill. Sobald …«
»Ich weiß. Sobald die Angreifer in der Burg sind, reite ich hinaus!«
Turpin grinste. Ihr wurde plötzlich klar, dass der Mann mit dem irischen Namen ein Paladin war, wie Ganelon, der ächzte: »Lass mich kämpfen, … du bischöflicher Bastard …«
Turpin zog den zerschundenen Ganelon in die Höhe und wuchtete ihn in den Sattel des einen Pferdes. Er wäre beinahe auf der anderen Seite heruntergefallen, aber der Sachsenkrieger war zur Stelle und hielt ihn fest. Turpin nickte ihm bärbeißig zu.
»Bist du Bischof Turpin, der Paladin ?«, keuchte der Sachse. »Bei Wodan!«
»Bewundern kannst du mich später!«, sagte Turpin fröhlich. »Spitz die Ohren,
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