Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
hatte. Das Geräusch von Klingen, die aufeinanderprallten, ließ Roland über die Schulter blicken. Turpin war der Mittelpunkt eines Handgemenges, ein Berserker, der seine Gegner mit dem Schwert in der einen und der Axt in der anderen Hand anscheinend mühelos auf Distanz hielt. Er verschaffte Roland und Remi damit die nötigen Sekunden, die sie brauchten, um die Bögen gebrauchsfertig zu machen – die Dauer eines Kusses. Sie hatten ihr Vorgehen genau geplant, und jeder Handgriff saß.
»Haben sich die Weiber schon mal über die Kürze deiner Küsse beschwert?«, fragte Roland.
Remi machte eine obszöne Geste. Die Bögen waren bereit.
Der junge Sachse hatte noch Zeit, überrascht zu keuchen, dann sprang Afdza, der sich im Lauf der Nacht aus seinen Fesseln befreit hatte und zu den Deckenbalken hinaufgeklettert war, auf ihn herunter. Die Füße des Mauren trafen den Krieger ins Gesicht und schleuderten ihn zu Boden. Afdza rollte sich mit einer geschmeidigen Bewegung ab, war aber sofort wieder über dem halb betäubten Mann und riss dessen Sax aus der Scheide. Dies alles war so schnell geschehen, dass die beiden anderen Sachsenkrieger erst jetzt reagierten und sich mit gezückten Haumessern auf Afdza stürzten. Der zögerte keinen Augenblick. Fassungslos verfolgte Arima gemeinsam mit den gefesselten Frankenkriegern die Bewegungen des einäugigen Mannes, die wie ein Tanz wirkten. Die Mauren betrachteten den Kampf hingegen mit mildem Interesse; sie schienen mit Afdza Asdaqs Fähigkeiten vertraut. Der erste der beiden Sachsenkrieger schwang seine Waffe, doch Afdza war nicht mehr dort, wo er gedacht hatte. Stattdessen traf Afdzas Fuß plötzlich seine Magengrube. Er krümmte sich nach vorn. Afdza griff um seinen Kopf herum und machte eine ruckartige Bewegung. Arima verzog das Gesicht, als sie das Knacken hörte, mit dem das Genick des Sachsen brach. Sein Sax glitt aus der leblosen Hand direkt in diejenige Afdzas. Der Mann lag noch nicht ganz auf dem Boden, als Afdza bereits den Schwerthieb des letzten Sachsen mit den zwei überkreuz gehaltenen Klingen über sich abfing – dann wirbelte er blitzschnell herum und wand dem Sachsen die Waffe dabei aus der Hand. Einen kurzen Moment lang standen die beiden Männer dicht aneinandergeschmiegt da, Afdza vorne, sein Gegner hinter ihm, dann stieß der Sachse die Luft aus und rutschte an Afdzas Rücken zu Boden. Ein Sax ragte aus der Brust des Kriegers; seine Beine streckten sich aus und zuckten, dann war er tot.
Afdza richtete sich auf. Arima starrte ihn an. In der Aula war es vollkommen still, ausgenommen des Scharrens der Fersen des noch immer halb besinnungslosen jungen Burschen auf dem Boden. Arima begann zu zittern. Wenige Augenblicke hatten genügt, dass der Mann mit dem entstellten Gesicht, der angesichts eines Sonnenaufgangs poetische Gedanken mit ihr teilte und an den sie ihr Herz zu verlieren begann, drei feindliche Krieger unschädlich machte – ohne selbst auch nur einen einzigen Kratzer abzubekommen. Sie schluckte und versuchte das Zittern zu beherrschen, aber es gelang ihr nicht. Sie wandte den Blick ab, als Afdza den Sax aus dem Körper seines letzten Gegners zog. Der einzige überlebende Krieger stöhnte leise und blinzelte, ohne zu sich zu kommen.
»Oh«, sagte der zuletzt eingetroffene Gefangene, den seine Bewacher zu Boden gestoßen hatten und der jetzt umständlich auf die Beine kam. Er blickte sich um und glotzte dann Afdza Asdaq an. »Ich muss schon sagen, junger Mann – da hast du ja was Schönes angerichtet.«
Afdza grinste, dann warf er dem Gefangenen eines der Messer zu. »Los – hilf mir, die Fesseln der anderen aufzuschneiden. Wir müssen sehen, dass wir hier rauskommen.«
Er huschte zu Arima, drehte sie herum und schnitt mit einem Ruck die Lederbänder durch, die ihre Handgelenke auf dem Rücken zusammenbanden. Arima war schwindlig. Am liebsten wäre sie Adfza in die Arme gesunken, doch dann straffte sie sich. Sie mussten sich beeilen, so rasch wie möglich alle Mitgefangenen zu befreien.
Die Pfeile der beiden Frankenkrieger fällten innerhalb kürzester Zeit alle Sachsen auf dem Wehrgang und dann die Männer, die über den Innenhof der Burg zum Stall rannten, wo sich ein immer größerer Ring aus kampfunfähigen Gegnern um Turpin bildete. Die schweren, langen Pfeile rissen die Angreifer von den Füßen, die breiten Schneiden der Pfeilspitzen, die normalerweise zur Jagd auf Großwild verwendet wurden, sorgten dafür, dass auch Gegner,
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