Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Vorhinein zum Scheitern verurteilte?
Arima hielt sich die meiste Zeit bei den Frauen auf – ein paar waren Ehefrauen der Paladine, die mit nach Patris Brunna gekommen waren, andere die Gattinnen von Karls wenigen Hofbeamten. Arima kannte Bertha de Laon, Karls Schwester, aber sie hatte nicht gewusst, dass sie Rolands Mutter und er also ein Neffe des Königs war. Bertha begegnete ihr mit großer Zurückhaltung, auf die Arima sich keinen Reim machen konnte.
Andererseits begegnete Bertha auch ihrem Mann, Ganelon de Ponthieu, mit großer Reserviertheit. Der Paladin war in der Karlsburg geblieben, weil er bei Rolands, Remis und Turpins Aufbruch noch nicht wieder kampffähig gewesen war. Er hatte sich jedoch erstaunlich schnell erholt. Am Ende der dritten Woche ereignislosen Wartens auf die Rückkehr des Königs beobachtete Arima, wie Ganelon und Bertha nebeneinander aus der Burg ritten, beide mit Falken auf den Fäusten und einer kleinen Schar Dienstboten und Sklaven hinterdrein. Arima wollte sich abwenden, doch das Gefühl von Langeweile und die damit einhergehende Sehnsucht, so frei zu sein wie ein Mann, führten dazu, dass ihre Blicke wie magisch an dem prächtig gekleideten Paar hängenblieben.
Ganelon legte mehrfach die freie Hand auf die Schulter seiner Gemahlin oder auf ihren Arm, wenn er mit ihr sprach: ein gemessenes, würdevolles Zeichen von Zärtlichkeit. Bertha erwiderte die Geste nicht. Stattdessen schien sie ihm plötzlich mit einer paar kurzen Sätzen etwas mitzuteilen, etwas, das Ganelon so überraschte, dass er sein Pferd zügelte. Der Falke auf seiner Hand flatterte in seiner Fußfessel. Der Paladin starrte seiner Frau hinterher, die weder anhielt noch sich zu ihm umdrehte. Die Dienstboten hielten gehorsam hinter Ganelon an. Bertha ließ ihr Pferd einfach weiter ausschreiten; schließlich raffte sich Ganelon sichtbar auf und schloss wieder zu ihr auf. Er schien sie etwas zu fragen, als ob er nicht fassen könne, was er eben gehört hatte, und sie nickte knapp. Ganelons ganze Haltung veränderte sich; von Aufmerksamkeit zu Niedergeschlagenheit innerhalb eines Augenblicks. Der Falke flatterte erneut, und Ganelon machte eine wütende Handbewegung, die den Vogel zu noch mehr Panik veranlasste.
»Gott helfe diesen beiden. Sie sind ein unglückliches Paar«, sagte eine Stimme, die Arimas Herz hüpfen ließ.
Afdza Asdaq musterte sie von der Seite. »Du hast mir gefehlt«, sagte er leise.
»Die maurische Delegation ist den ganzen Tag mit Jagen und Beizen, Essen und Trinken und mit der Besichtigung der Baustelle beschäftigt«, erwiderte Arima sarkastisch. »Wenn du zwischendurch Zeit gehabt hättest, hättest du mich im Wohntrakt hinter dem Palas finden können, vor Langeweile erstarrt, während die Spinnen ihre Netze um mich webten.«
»Die maurische Delegation«, sagte Afdza, ohne auf ihren spöttischen Ton einzugehen, »ist sich bewusst, dass sie mit Nichtigkeiten abgespeist wird, um den Affront zu überspielen, dass der König diesen Ort verlassen hat.«
»Gibt es Ärger?«, fragte Arima besorgt.
»Noch nicht. Aber ich hoffe inständig, der König kehrt bald zurück.«
Sie sahen hinaus, wo die Gruppe von Ganelon und Bertha in einem Gebüsch verschwand. Ein Krieger, der auf der Palisade Wache hatte, drückte sich an ihnen vorbei und musterte den Mauren neugierig, bevor er weiterging. Arima hatte sich dicht neben Afdza gestellt, um den Wächter vorbeizulassen. Nun kämpfte sie mit sich, ob sie wieder auf Distanz gehen sollte, und entschied sich dagegen. Es tat gut, so nahe neben Afdza zu stehen. Er roch nach dem Öl, mit dem er sein langes Haar pflegte, nach Schweiß und nach den Duftkräutern, die die Mauren in die Truhen legten, in denen sie ihre Gewänder aufbewahrten. Es war eine Mischung, die in Arima das Verlangen aufsteigen ließ, den Mann, der diesen Duft ausströmte, zu berühren.
»Du leidest an Langeweile?«, fragte er.
»Wie ein Hund«, sagte sie und lächelte dabei.
»Soll ich etwas dagegen unternehmen?«
Arima seufzte. »Uns Frauen ist es verboten, die Burg zu verlassen – wegen der Gefahr durch die sächsischen Rebellen. Und wenn wir’s doch dürften, dann mit einem halben Heer aus Dienstboten, Kriegern und Aufpassern und immer in Sichtweite der Wachen hier auf dem Wehrgang. Zu Hause, auf Burg Roncevaux, bin ich im Winter mit den Schneeflocken und im Sommer mit dem Südwind um die Wette geritten. Aber hier …« Sie seufzte erneut. »Nein, nein. Solltest du vorhaben, mich zu
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