Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
dann winkte er Roland heran. »Du störst nicht, mein Freund. Oder, Herrin?« Zwischen Afdza und Roland hatte sich in der kurzen Zeit seit der Geiselbefreiung echte Sympathie entwickelt.
»Nein, natürlich nicht«, sagte Arima, die sich in Wahrheit immens gestört fühlte. Bemüht, sich ihren Unmut nicht anmerken zu lassen und innerlich gefasst darauf, dass Roland irgendeine ignorante Bemerkung über die unnütze Kunst des Schreibens von sich geben würde, sah sie auf.
Er wies auf das Schreibgerät. »Darf ich das auch mal probieren?«, fragte er zu Arimas grenzenloser Verblüffung. Die Augen des Frankenkriegers leuchteten wie die eines kleinen Jungen. Ihr Ärger verpuffte.
Afdza lachte. »Setz dich, mein Freund. Ich eile und hole weitere Schreibutensilien.«
Roland setzte sich in gebührendem Abstand neben Arima und lächelte sie scheu an. Er schielte auf den Buchstaben, den sie gezeichnet hatte. »Hast du das gemacht?«
»Ja.«
»Ich werd verrückt.«
»Es ist gar nicht so schwer.«
Roland betrachtete den Schilfrohrgriffel in Arimas schlanken Fingern und dann seine kräftigen Hände. »Wie soll ich das mit diesen Pranken jemals lernen?«, stöhnte er.
Arima drückte ihm kurzentschlossen den Griffel in die Hand. Er sah winzig aus in Rolands Faust, aber das nahm Arima gar nicht richtig wahr. Was sie stattdessen wahrnahm, war die absolute und unverstellte Freude des jungen Mannes – so als ob er seit Langem auf eine Chance gewartet hätte, eine Fertigkeit zu erlernen, für die ihn seine Kameraden gnadenlos verspotten würden. Sie erwiderte sein Lächeln, und bevor sie sich’s versah, tätschelte sie beruhigend die harte Faust des Kriegers. »Du lernst das im Handumdrehen.« In seiner Begeisterung für die Kunst des Schreibens schien er ihrem Herzen auf einmal so nahe, als würde sie ihn schon ewig kennen.
Am Beginn der Reichsversammlung stand der hochritualisierte Empfang der maurischen Gesandtschaft und der Fürsten von Karls Königreich. Dass alle bereits vorher in der Karlsburg angekommen waren oder – wie im Fall der Mauren – schon seit Wochen auf den König warteten, wurde freundlich ignoriert. Karl, der mit seinem Kriegertrupp zwei Tage nach Roland eingetroffen war, begrüßte seine Gäste nun offiziell und wie es sich für einen König gehörte: mit einem Aufmarsch aller Krieger, die er hierher mitgebracht hatte. Die Gäste hatte man gebeten, schon am frühen Morgen ihre Quartiere zu verlassen und zwei, drei Meilen die Straße hinunterzureiten, um dann umzudrehen und wieder zur Karlsburg zurückzukehren, damit Karl und das Heer der Franken sie empfangen konnten. Das Heer hatte sich in einem weiten Halbkreis unterhalb der Karlsburg aufgestellt, wie zwei offene Arme, die die Geladenen empfingen, mit der Öffnung nach Westen, von wo die Straße herankam und wo die schier endlose tischflache Landschaft in der Ferne mit dem Horizont verschmolz. Standarten zeigten an, welcher der vielen fränkischen Völker die jeweils um sie gruppierten Männer angehörten.
Die Hierarchie im fränkischen Heer wurde durch die Aufstellung demonstriert. Die äußeren Enden des Halbkreises wurden von den Fußkämpfern eingenommen. Diese standen in Zehnergruppen bei ihren Centenarii, die im Kampf die Befehlsgewalt über sie hatten. Die meisten dieser ›Soldaten‹ waren in Wirklichkeit unfreie Bauern, die ihren adligen Herren untertan waren. Über ihren Köpfen ragte ein Wald aus eisernen Spitzen auf – die Wurfspeere mit den tödlichen Widerhaken an den Blättern. Nach den Fußkämpfern kam die leichte Reiterei, gerüstet mit ledernen Körperpanzern, deren aufgenähte Metallschuppen und -ringe das Sonnenlicht reflektierten. Sie hatten ihre Bögen in die Hüften gestemmt, und Arima meinte das Summen des Windes in den vielen Hundert straff gespannten Bogensehnen zu hören. Als dritte Heeresabteilung kamen die Panzerreiter. Wie die Angehörigen der leichten Reiterei stammten auch diese Krieger mit den schweren, langen Kettenhemden aus dem Adelsstand. Sie trugen die zweischneidigen Spathae an Sattelscheiden, die langen Flügellanzen hatten sie aufrecht in Lederköcher an den Steigbügeln gestemmt. Die Panzerreiter waren anders als die leichte Kavallerie und die Fußkämpfer, die nur bei Kriegszügen oder bei den Heerschauen aufgeboten wurden, ständig im Einsatz; ihren Lebensunterhalt bestritten sie mit den Belohnungen aus der Kriegsbeute und durch die Arbeit der Bauern und Knechte, die ihre Ländereien
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