Der letzte Paladin: Historischer Roman (German Edition)
Afdza zu wechseln, aber für Schreibübungen reichte nicht einmal seine Energie mehr aus.
Arima war anfangs über die Freundschaft, die sich zwischen Roland und Afdza entwickelt hatte, erstaunt gewesen. Offenbar hatten sie nicht viel gemeinsam außer der Tatsache, dass sie beide aus ihrem Umfeld herausragten – nicht nur durch ihre Körpergröße, sondern auch durch ihre Haltung. Bei Afdza war es dessen ruhige, unzerstörbare Würde, bei Roland eine Art zu denken und zu fühlen, die sich von derjenigen der meisten seiner Waffenbrüder deutlich unterschied.
Und da gibt es noch mehr, was Roland und Afdza verbindet, dachte Arima. Nämlich die Tatsache, dass sich beide in dein Herz gestohlen haben! Doch während sie sich manchmal bei dem Wunsch ertappte, mit Roland lachend über Wiesen zu laufen, waren die Tagträume, in denen Afdza eine Rolle spielte, von gänzlich anderer, weniger harmloser Natur.
Laute Trommelschläge, die die Ankunft der Gäste ankündigten, holten Arima abrupt in die Gegenwart zurück. Karl hatte der maurischen Delegation alle Paladine entgegengesandt und deren Führung kurzzeitig seinem Schwiegervater Gerold de Suaborum anvertraut, dem Comes von Craichgoia und Angelgoia, der selbst ein Paladin war. Die Elitekrieger ritten vorneweg, dahinter kam ein Wald aus Standarten und Wimpeln, die an hochgehaltenen Lanzen flatterten. Die Sonne glitzerte auf Panzerhemden, deren Metall mit Asche und Sand auf Hochglanz geschrubbt worden war, auf polierten Helmen und Schmuckstücken. Der schnelle, harte Klang der Trommeln vibrierte in Arimas Bauch, als der Zug näher kam. Plötzlich ertappte sie sich dabei, wie sie im Rhythmus des Trommelschlags mit dem Kopf nickte, ebenso wie viele andere um sie herum. Die Farben der Wimpel und Standarten besaßen eine geradezu magische Brillanz vor dem blauen Himmel. Im weiten Rund der aufgestellten fränkischen Krieger erklang ein tiefer, vibrierender Ton – immer mehr Männer antworteten auf die Trommelschläge mit einem tiefen, gesummten Atemstoß: »Homn! Homn! Homn!« Es war, als fänden die Trommeln ein Echo, als werfe die weit gespannte Mauer aus Pferden und Kriegern, aus Fahnen und Rüstungen den Trommelklang zurück, und dieser Summton fuhr einem noch mehr in die Glieder als die Trommeln selbst, es schien, als würden der Boden und die Luft um einen herum in diesem Homn! erbeben. Der Zug der Gesandten war jetzt noch näher gekommen; Arima konnte die hochgewachsene Gestalt Afdzas unter den schillernd bunten Kriegern der Mauren ausmachen. Bei seinem Anblick nahm ihr Herz den immer schneller werdenden Rhythmus der Trommeln auf. Ohne dass sie es merkte, summte auch sie das »Homn!« mit.
Dann fühlte sie, dass jemand sie beobachtete. Sie wandte sich um und blickte in die Augen des graubärtigen Angelsachsen. Ealhwine schaute ihr freundlich ins Gesicht, und sie lächelte zurück; doch es waren nicht seine Augen gewesen, die sie auf sich gespürt hatte. Es waren die Blicke von Abt Styrmi, der sie taxierte und nicht einmal wegblickte, als sie ihn bei seiner Musterung ertappte. Das Gefühl, dass sie ein Teil des Ganzen war und an diesen Ort gehörte, starb unter seinem kalten Blick. Sie konnte sich den Grund für die prüfende Miene des alten Benediktiners nicht erklären, doch nachdem sie sich abgewandt hatte, gelang es ihr nicht mehr, in den Sog des Geschehens zu finden, und die Lichtreflexe von den polierten Metallteilen um sie herum schmerzten auf einmal in ihren Augen.
Der Blick Styrmis verfolgte Arima bis in die Nacht hinein. An diesem offiziellen ersten Tag der Reichsversammlung waren die Kriegskünste der Franken das zentrale Thema gewesen. Den ganzen Tag hatte eine riesige Staubwolke über der Karlsburg gestanden, unter der die Krieger Scheinmanöver geritten, Gefechte mit der flachen Klinge geführt, Bogen- und Speerwurfwettbewerbe unternommen und auch sonst keine Gelegenheit ausgelassen hatten, um zu zeigen, was für Kerle sie waren. Gespräche waren keine geführt worden – außer denen, die sich abends bei dem endlos langen Bankett ergeben hatten, die aber über weinselige Erinnerungen an längst vergangene Heldentaten und zotige Anspielungen selten hinausgegangen waren. Irgendwann hatten sich die Frauen auf einen Wink von Königin Hildegard zurückgezogen. Bis es in der Halle halbwegs still wurde, hatte es danach jedoch noch lange gedauert. Arima war schlaflos auf ihrem Lager gelegen und hatte es schließlich nicht mehr ausgehalten, in die Dunkelheit zu
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