Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
erobert, schabte über den Stamm eines anderen Baumes, ohne Halt daran zu finden.
    »Boris!«, riefen Pribylla und Laurania zusammen.
    Der hagere Mann mit den grotesk langen Armen und Beinen erschien kurz am Fenster, aber es war bereits zu spät. Der dicke Ast knickte und brach, und der Springer rutschte, gewann an Bewegungsmoment, zerriss ein Geflecht aus mehreren dünneren Ästen und verschwand in der dunklen Tiefe, einige Meter verfolgt vom Licht der Lampe, die in Lauranias Hand zitterte. Dann verschluckte ihn die Finsternis, zusammen mit Boris, der keine Gelegenheit mehr gefunden hatte, das Wrack zu verlassen.
    34
    Die Dunkelheit schien sich zu verdichten, als sie nach unten kletterten und der vom Springer gerissenen vertikalen Schneise folgten. Das Licht von Lauranias Lampe tastete wie ein gelbweißer Finger durch die Finsternis, und manchmal blitzte in seinem Schein etwas auf, eine kurze Reflexion, die verschwand, bevor Xavius den Blick darauf richten konnte. Nach dem Krachen und Donnern, mit dem das Wrack in der Tiefe verschwunden war, blieb es sonderbar still. Nur die Geräusche ihrer Kletterbewegungen waren zu hören, Vandovers leises, wortloses Brummen und das Zischen ihrer Atemzüge. Einmal kam etwas surrend aus der Nacht, ein daumengroßer Schatten mit langen Flügeln und großen Augen. Es umschwirrte Xavius’ Kopf, und instinktiv schlug er danach, ohne es zu treffen. Der neugierige Besucher verschwand wieder im gestaltlosen Schwarz, das sie auf allen Seiten umgab und nur dort etwas preisgab, wo die Lampe einen Teil der Dunkelheit zurückdrängte.
    »Das sollten Sie besser lassen, Xavius«, sagte Laurania und leuchtete für ihn, als er sich an einem Ast festhielt und mit den Füßen nach einem weiter unten suchte, der nächsten Treppenstufe. »Unterlassen Sie alles, was die Aufmerksamkeit des Waldes wecken könnte.«
    »Es wird nicht lange dauern, bis er unsere Präsenz wahrnimmt«, schnaufte Pribylla weiter unten. Sie schob sich gerade an einem großen Blatt vorbei, das ein Tigerstreifenmuster und eine Vertiefung in der Mitte aufwies. Klare Flüssigkeit hatte sich in dieser Mulde angesammelt, und als das Licht dort für zwei oder drei Sekunden verharrte, bemerkte Xavius, dass wurmartige Geschöpfe darin schwammen, etwa so lang wie seine Hand und nicht dicker als der kleine Finger. »Ohne Tarnpheromone wird er uns als fremd erkennen.«
    »Feuerwürmer«, sagte Laurania und deutete auf das Blatt mit der tiefen Mulde. »Harmlos, solange sie im Außenmagen ihrer Wirtspflanzen schwimmen.«
    Ich habe keine Verbindung zu den Netzen von Bluestone, sagte der Chronass, als Xavius den nächsten Ast erreichte und vorsichtigen Abstand zu dem Blatt wahrte . Aber unsere internen Datenbanken bestätigen mit allgemeinen Daten die Gefährlichkeit des Waldes dieses Planeten, wenn er »Synchronizität« erreicht.
    »Was hat es mit der Synchronizität auf sich?«, fragte Xavius. Vom Wrack war noch immer nichts zu sehen. Wie weit ging es noch in die Tiefe?
    »Stellen Sie sich den Wald von Bluestone als riesiges Netzwerk aus Myriaden von einzelnen Organismen vor, die über lokale Verbindungsknoten miteinander in Verbindung stehen«, sagte Laurania. Sie mussten auf Vandover warten, der sich wegen des Demobilisierers langsamer bewegte als sie.
    Mit den Knoten meint sie die blauen Steine, sagte der Chronass.
    »Wenn die Kundschafter oder andere Organismen etwas Fremdes entdecken, melden sie es dem nächsten Verbindungsknoten, der die Nachricht weitergibt; dadurch erfahren alle anderen Lebensformen und Knoten von dem Eindringling. Auf diese Weise wird nach und nach der ganze Wald mobilisiert, alle Geschöpfe in ihm. Es ist ein typisches Schwarmverhalten. Mit bestimmten Pheromonen kann man dem Wald vorgaukeln, Teil von ihm zu sein, aber selbst das funktioniert nicht auf Dauer; man gewinnt nur ein wenig Zeit.«
    »Wir haben keine solchen Pheromone.« Xavius blickte mit wachsender Sorge in die Dunkelheit.
    »Nein.«
    Wieder ging es einige Meter in die Tiefe, über mehrere Äste und einige dünne Zweige, die knirschten und nachgaben, als sie Vandovers Gewicht tragen mussten. Laurania und Xavius stützten ihn, während Pribylla unter ihnen so schnell kletterte, dass sie fast außer Sicht geriet.
    »Wie lange dauert es bis zur Synchronizität?«, fragte Xavius. »Bis der Wald Bescheid weiß und als Metaorganismus reagiert?«
    Sie erreichten einen dickeren, stabileren Ast und kamen besser voran. Laurania zog Vandover, und Xavius schob

Weitere Kostenlose Bücher