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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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ihn.
    »Die Latenzzeit beträgt zwei bis drei Stunden.«
    »Und dann?«
    Laurania blickte ihn über Vandovers Schulter hinweg an, während das Licht ihrer Lampe durch die Dunkelheit tanzte und einen weiteren Vorhang aus Nesselfäden fand. Ein Geschöpf, das wie eine Maus mit Flügeln aussah, hatte sich darin verfangen und bewegte sich nur noch schwach, während sich die giftigen Fäden darum schlossen. »Wenn die Latenzzeit vorbei ist, sollten wir besser einen sicheren Ort erreicht haben.«
    »Unsere einzige Hoffnung besteht darin, die Rettungsgruppen auf uns aufmerksam zu machen, die bestimmt schon nach uns suchen«, brummte Vandover. Der Schweißfilm auf seinem haarlosen Kopf reflektierte das Licht der Lampe. »Wenn Sie den Inhibitor deaktivieren, könnte mein Schwarm einen Notruf senden. Oder er könnte einen Notruf senden, der Mörder.«
    »Ich bin kein Mörder«, entgegnete Xavius. »Ich habe nichts mit dem Attentat auf den Regenten zu tun.«
    »Hier ist es!«, rief Pribylla aus der Düsternis. »Ich sehe das Wrack. Und ich könnte es bestimmt besser sehen, wenn du mit der Lampe hier wärst, Laura.«
    Sie hangelten sich in die Tiefe, vorbei an spitzen Dornen, die schwarz wie die Nacht aus der eisenharten Borke des Baumstamms ragten. Von weiter unten wölbte sich ein Berg aus geborstenem Synthstahl empor, bedeckt von Holzsplittern, Blättern und silbergrauen Schleimspuren, bei deren Anblick Laurania eine Grimasse schnitt.
    »Genau das habe ich befürchtet«, sagte sie so leise, dass Pribylla sie nicht hörte. »Es ist zu spät. Zumindest ein Verschlinger ist bereits hier.«
    Ein scharfer, süßlicher Geruch stieg Xavius in die Nase, so intensiv, dass er einen Niesreiz bewirkte, bevor seine Mikromaschinen die olfaktorische Wahrnehmung dämpften. Ausgelaufener Treibstoff der chemischen Manovratoren, dachte er. Und noch etwas anderes, ein widerwärtiger Gestank, wie von beginnender Verwesung.
    Drei oder vier Meter über dem Boden verharrten sie, und Laurania leuchtete mit ihrer Lampe. Das Heck des Springers war beim Aufprall geplatzt, und vom Fenster, durch das sie zuvor nach draußen geklettert waren, zog sich ein breiter Riss zum Bug, wo die Pilotenkanzel fehlte. Von den Leitflächen waren nur noch zerfetzte Stummel übrig.
    Eine große, schleimige Masse glitt mit leisen, saugenden Geräuschen über den Rumpf des Springers und schickte amorphe Arme in jede Öffnung, in jeden noch so kleinen Riss.
    »Da kommt jede Hilfe zu spät«, sagte Laurania zu Pribylla, so leise, dass Xavius sie fast nicht verstand, weil Vandover neben ihm laut schnaufte – der Demobilisierer erschwerte ihm jede Bewegung.
    »Vielleicht …«, begann Pribylla.
    »Nein, Priby. Es ist aussichtslos. Der Verschlinger hat ihn erwischt.«
    »Aber …«
    Xavius sah sie im Schein der Lampe: etwas kleiner als Laurania, das dunkle Haar schmutzig und zerzaust, die Fäuste geballt, den Pulser hatte sie an der Seite hinter den Bund der an mehreren Stellen aufgerissenen Hose gesteckt. Er fragte sich, ob es zwischen ihr und dem Abnormen – dem Angepassten – eine intime Beziehung gegeben haben konnte.
    Du solltest besser überlegen, wie wir mit einigermaßen heiler Haut aus diesem Wald herauskommen und es trotz unserer miesen Reisebilanz in einem Monat schaffen sollen, das Konklave über der Erde zu erreichen, sagte der Chronass.
    Vandover schob sich etwas näher. »Vielleicht haben Sie recht, Chronist«, flüsterte er. »Vielleicht sind Sie gar nicht der Mörder des Regenten. Möglicherweise hat Minerva irgendwie die angeblichen Aufzeichnungen manipuliert. Das muss sich feststellen lassen. Und wenn es stimmt … Sie wollen doch nicht, dass der wahre Mörder seiner gerechten Strafe entgeht, oder? Wir könnten uns gegenseitig helfen. Schicken Sie mit Ihrem Schwarm einen Notruf …«
    »Was gibt es da zu flüstern?«, zischte Pribylla. Sie stand mit dem Rücken zum Wrack und hielt wieder den Pulser in der Hand.
    »Es tut mir leid«, sagte Xavius. »Das mit Boris.« Und er stellte fest, dass es stimmte.
    Pribylla schnaubte nur, öffnete ihren Rucksack und holte einen kleinen Navigator hervor.
    »Suchen Sie vielleicht den Weg zur nächsten Stadt?«, fragte Vandover mit zornigem Spott. »Wir sind hier mitten im Nichts, und uns bleiben nur zwei Stunden. Vermutlich ist die Latenzzeit bis zur Synchronizität sogar viel geringer, weil der Wald gerade Ihren Freund gekostet hat und …«
    Pribylla huschte so schnell über den breiten Ast, dass Xavius kaum Zeit

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