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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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kaum mehr bändigen.«
    Es war eine seltsame Stimme, fand Xavius, und er fragte sich, ob er sie wirklich hörte. Vielleicht ertönte sie direkt in seinem Kopf, ohne den Umweg über die Ohren.
    »Die Inkursion«, sagte Lupton und drehte sich langsam um die eigene Achse. Der Blick des Albinos strich über die Wände mit den Symbolen, die sich jetzt in kürzeren Abständen veränderten. »Der Changer möchte Teil einer der Flotten werden, die ins Endurium vorstoßen.«
    Wieder das Quieken. »Ja. Er ist aufgeregt. Seine Seele wandert in den Fokusräumen und hört die Stimmen der anderen. Sie träumt von der Wiederherstellung des Großen Konzepts. Das Endurium ist geschwächt; diesmal könnte es gelingen.«
    Eiseskälte erfasste Xavius bei diesen Worten.
    »Bring uns zu einem Brunnen, Ozell.« Rebeccas Stimme klang an diesem Ort noch mehr wie Musik. »Kannst du die Konzepte des Changers unter Kontrolle halten? Wo bist du?«
    »Ich bin wach. Ich denke mit der Seele. Ich bin innerhalb der Konzepte und kontrolliere sie. Aber der Druck ist groß.«
    »Halte ihm stand«, erwiderte Rebecca schnell und wiederholte: »Wo bist du?«
    »Hier. Ich bin hier.«
    Auf der anderen Seite der Säule mit den drei Ayunn hatte sich eine Öffnung in der Wand gebildet und gewährte Zugang zu einem dunklen Alkoven, in dem ein Kind saß, die Haut silbern wie die Blasen im öligen Gold, das die Seele des Schiffes umhüllte. Es saß auf einem Sockel aus schwarzem Komposit, vor einem Zapfen mit Schriftzeichen, die Xavius komplexer und verschlungener erschienen als die an den Wänden des Schachtes. Winzige Lichter tanzten wie Funken zwischen ihnen und stiegen auf, wenn das Kind die schmalen Hände ausstreckte, ließen sich von seinen Fingerkuppen einfangen.
    Als sie den Alkoven erreichten, veränderte sich der Sockel unter dem Medium, wurde größer und breiter, entwickelte eine leicht nach hinten geneigte Rückenlehne und drehte sich, wurde dabei zu einer Art Thron mit dem Medium als Königin. Im Gesicht mit dem kleinen Mund und der Stupsnase dominierten große Augen, sie nahmen fast die Hälfte der jeweiligen Gesichtshälfte ein und zeigten ein Malachitgrün, das sich kaum von dem Rebeccas unterschied. Hinzu kam eine gewisse Ähnlichkeit bei den fein geschnittenen Zügen. Xavius sah Rebeccas stolzes Lächeln, und ein Verdacht regte sich in ihm.
    »Nein«, sagte die Telepathin. »Ozell ist nicht meine Tochter. Aber sie trägt einige meiner Gene. Wir haben sie als Medium geschaffen, für die Kommunikation mit dem Changer und mit den Ayunn. Sie kann mit ihnen sprechen.«
    »Sie erzählen mir Geschichten«, sagte Ozell. Ihr Mund bewegte sich, aber nicht genug für die Worte. »Ist das der Mann?«
    Die großen Augen sahen Xavius an, und für einen Moment glaubte er zu fallen.
    »Das ist er. Vielleicht kannst du mir dabei helfen, ihn …«
    »Nein«, sagte Xavius. »Ich will sie nicht in meinem Kopf haben. Nicht einen Gedanken von ihr.« Das Ausmaß des Abscheus überraschte ihn. Ekel war plötzlich da, schuf Übelkeit, und er übergab sich, schaffte es gerade noch, den Kopf zu drehen. Der Inhalt seines Magens schwappte aus ihm heraus und klatschte auf den Boden, der zu knistern begann und das Erbrochene, einen wässrigen Brei, aufnahm.
    »Er bringt Ozell mit den Ayunn in Verbindung«, sagte Laurania. Xavius fühlte eine Hand, vielleicht ihre, dann noch eine, und die Vorstellung, dass Ozell – die Kreatur mit den grünen Augen ihrer Gen-Mutter – ihn berührte, löste neuen Ekel aus. Er schwitzte plötzlich, und die Knie wurden ihm weich. Die Hände hielten ihn, aber er sank trotzdem auf eine Art Stuhl, den das Komposit des Bodens für ihn geschaffen hatte.
    »Er wird instabil«, sagte Rebecca. »Bitte hilf mir, Ozell.«
    Nein!
    Ein Gesicht erschien vor Xavius, ätherisch schön, und eine Glockenstimme sagte: »Meine Augen, Chronist. Sehen Sie mir in die Augen. Vierzehn.«
    Vierzehn?, dachte er. Die Vierzehn hat den Piloten um den Verstand gebracht und ihm das Genick gebrochen.
    Doch er dachte diesen Gedanken an einem Ort, wo er keine Rolle mehr spielte.
    43
    Der Changer hatte mindestens die Hälfte seiner Masse verloren und sah nicht mehr aus wie eine verbeulte Kugel mit Hals und Kopf, sondern wie eine schwarze Orchidee, wie eine Blume auf dem dunklen Turm, der von Tausenden Schlünden umgeben im Nichts schwebte, gehalten von einem Schmelztiegel aus Kraftfeldern. Hinsichtlich der Maße des Turms aus zahllosen Kompositkomponenten konnte Xavius nur

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