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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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erreichen, Laura.
    Niemand achtete auf den Toten. Niemand achtete auf den Mann, der sich gerade das Genick gebrochen hatte. Er war übergeschnappt. Was auch immer Rebecca ihm in den Kopf gesetzt hatte, es war nicht genug gewesen. Xavius fragte sich plötzlich, ob so etwas auch mit ihm geschehen konnte.
    Etwas gleißte über den Shuttle hinweg und zerstörte einen der beiden Schnellläufer. Eine Blume aus Feuer erblühte im All, einige Zehntausend Kilometer vom Asteroiden entfernt, und ihre sich ausdehnende Blüte erfasste auch die zweite Rakete und warf sie gegen einen kleineren Asteroiden der Gruppe. Der Felsen, nur einige Kilometer groß und eine halbe Lichtsekunde entfernt, zerbarst in Hunderte von Trümmerstücken.
    »Ozell ist wach, hat uns identifiziert und das Abwehrkonzept angepasst«, sang Rebecca. »Sie bereitet das Navigationskonzept auf einen Sprung vor.«
    Xavius dachte an seine Reisebilanz. »Ein Sprung?«
    »Keine Sorge«, sagte Lorinda/Laurania. »Es ist wie bei den Subs, den Portalen. Die Sprünge eines Ayunn-Schiffes verursachen keine mentalen Schocks.«
    Die Gravitatoren trugen den Shuttle zum Changer der Ayunn, zur Öffnung in der deformen Kugel.
    Aginos Hände flogen noch immer durch die virtuellen Kontrollen, und der Shuttle gehorchte ihm, glitt durch die Öffnung und landete in einem düsteren Hangar. Der Situationsschirm zeigte, wie sich das Loch in der Außenhülle schloss – es schien innerhalb von zwei oder drei Sekunden zuzuwachsen, und Dunkelheit umfing den Shuttle.
    Ein Knistern erwartete sie, als sie aus der Schleuse traten, und vages graues Licht, das von der gewölbten Decke kam. Die Wände bewegten sich, krochen dem Shuttle entgegen. Sie bestanden nicht aus einem Material mit fester Struktur, sondern aus wenige Millimeter großen, schwarzen und ölig glänzenden Partikeln, deren Bewegung das Knistern verursachte.
    »Sprungkonfiguration«, sagte Laurania. »Wir sind bereits unterwegs.«
    Als hätte sie damit das Stichwort gegeben, legte sich ein Druck auf Xavius’ Hinterkopf. Er wankte. »Ganz so harmlos scheint der Sprung doch nicht zu sein.«
    »Sie sind noch nicht ausreichend stabilisiert«, sagte Rebecca. »Darum kümmern wir uns, sobald wir bei Ozell im Admin-Konzept sind.«
    Ein Korridor nahm sie auf, erfüllt von einem schwachen Licht, das viel Platz für Schatten ließ, und begrenzt von Wänden, die ebenfalls aus Myriaden von tanzenden und aneinanderreibenden schwarzen Partikeln bestanden. Auf dem Weg durch den Changer ließ sich Xavius von Laurania ablenken. Sie nannte die Partikel »Kompositkomponenten« und verglich sie mit Mikromaschinen, die sich auf unterschiedliche Weise miteinander verbinden und dadurch verschiedene Funktionen ausüben konnten. Es gab Komponentengruppen, »Konzepte« genannt, die aufgrund einer fest in ihnen verankerten »Funktionsprädisposition« bestimmte Aufgaben besser wahrnahmen als andere. Während des Sprungs über lichtjahrweite Distanzen hinweg herrschte nach der anfänglichen Initialisierung eine Art Bereitschaftsmodus, was in einer mehr oder weniger stark ausgeprägten amorphen Struktur Ausdruck fand. Es erleichterte die Energieaufnahme, die »Regeneration«. Xavius erfuhr auch, dass Ayunn-Schiffe während ihrer Transite manchmal sogenannte »Materiebrunnen« ansteuerten, wo sie Kompositmaterial abgaben und neues empfingen, zusammen mit angepassten und erweiterten Konfigurationsdaten. Zu einem solchen Brunnen waren sie jetzt unterwegs, denn der Changer musste kleiner werden und seine Karsow-Emissionen auf ein unvermeidliches Minimum reduzieren, wenn er durch die inneren Verteidigungslinien des Enduriums schlüpfen wollte.
    »In den Regenerationsphasen während eines Sprungs ›träumt‹ der Changer oft und kommuniziert dabei mit anderen Ayunn-Schiffen, über die Grenzen von Aggregationen hinweg«, sagte Laurania, als sie eine Abzweigung nahmen, die recht steil nach oben führte, vielleicht in Richtung »Hals«. Das Licht beschränkte sich auf ihren unmittelbaren Aufenthaltsbereich; vor und hinter ihnen blieb es dunkel.
    »So wie du davon sprichst … Es klingt nach einem lebendigen Schiff.«
    Laurania nickte. »In gewisser Weise verhält es sich wie ein lebender Organismus. Denk an unser Schwarm-Gespräch auf Pellegren.«
    Stattdessen dachte Xavius an den toten Piloten, an den jungen Soldaten, der mit dem Kopf gegen die Wand geprallt war und sich dabei das Genick gebrochen hatte. Der Anblick eines Ayunn-Schiffes hatte genügt, die

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