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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Tanz, und für einen Moment dachte Xavius, dass sich vielleicht die Perspektive verschoben hatte und er einen Teil der beiden kollidierenden Galaxien sah. Aber diese Lichter waren viel näher, und ihr flackernder Schein glitt über zernarbte Rümpfe. Eine leichte Vibration erfasste den Kurier, und Xavius stellte plötzlich fest, dass ihm die Zähne klapperten. Er biss sie zusammen, schloss die Hände fest um die Armlehnen des Sitzes und sah, unter dem Handschuh der linken Hand, eine Wölbung, die vom Ring am Mittelfinger stammte. Diese Leute von Minerva, diese militanten Fanatiker, die vor nichts zurückschreckten, denen nichts heilig war … Sie hatten seinen Schwarm neutralisiert, ihm aber den Ring gelassen.
    Erleichterung durchströmte Xavius. Noch war nicht alles verloren.
    »Es ist die größte Masse, die jemals durch den Attraktor gekommen ist«, sagte der Pilot. Er sprach leise, als fürchtete er, jemand dort draußen zwischen all den dunklen Schiffen könnte ihn hören. »Jedenfalls seit wir hier sind.«
    »Still, Sirte«, mahnte Laurania. »Kein Wort.«
    Wer könnte uns hören?, dachte Xavius verwundert. Wir benutzen nicht einmal die Kommunikatoren.
    Die Vibrationen dauerten an, und Xavius glaubte, dass es nur eine Erklärung dafür gab: ein Gravitationsbeben, wie jenes, das er bei Magrew gefühlt hatte, als die Zerberus aus dem Konnektor gekommen war. Er beugte sich vor, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen, bekam aber nur Gelegenheit, einige weitere tanzende Lichter zu sehen, bevor Camaron ihn zurückzog und drohend den Zeigefinger auf ihn richtete wie den Lauf einer Waffe.
    Der Kurier drehte sich langsam – eine vielleicht vom Gravitationsbeben verursachte Rotation –, und die Spiegelflächen gerieten in Sicht. Während Xavius sie noch beobachtete, legte sich ein Schatten auf sie, und das Funkeln und Schimmern ließ nach. Es wurde dunkel im kleinen Kurierschiff, so finster, dass Lauranias Gesicht ganz hinter dem Helmvisier verborgen blieb und der Pilot weiter vorn zu einer halb von Düsternis verschluckten Silhouette wurde.
    Einige Minuten verstrichen, während noch immer alles vibrierte und es kälter wurde. Das wunderte Xavius zunächst, bis er begriff: Alle Systeme des Kuriers waren heruntergefahren, auch Isolation und Temperaturregelung. Die Kälte des Alls kroch ins kleine Schiff und suchte sich einen Weg ins Innere der Schutzanzüge, deren Lebenserhaltungsfunktionen bis auf die Sauerstoffversorgung ebenfalls deaktiviert waren.
    Plötzlich vertrieb grelles Licht die Dunkelheit aus dem Kurier. Es gleißte durch das Fenster neben dem Piloten, riss ihn abrupt aus der Finsternis und machte ihn zu einer weiß-blauen Statue, die einen klar abgegrenzten Schatten an die Wand warf. Sirte rührte sich nicht von der Stelle.
    Etwas kam durchs Fenster neben Laurania, ein Schemen aus mattem Licht, ein geisterhafter Arm, in dem es hier und dort funkelte. Er strich über den Helm der jungen Frau, und an seinem Ende bildeten sich kleine, dünne Erweiterungen, wie Finger, die nach den Verschlüssen und Siegeln tasteten. Etwas von dem Licht fiel durchs Visier, und Xavius sah, dass Laurania die Augen geschlossen hatte; ihr Gesicht war maskenhaft starr. Er erinnerte sich daran, dass sie »Phantome« erwähnte hatte. War dies damit gemeint gewesen?
    Das Leuchten glitt weiter, über Lauranias Schulter und den Arm, tastete kurz zur Wand, machte kehrt und streckte sich Xavius entgegen, dessen Herz plötzlich schneller schlug, mit einem Pochen, das laut in seinen Ohren hallte. Der geisterhafte Arm erreichte seine linke Hand und leuchtete dort auf, wo sich der Ring unter dem Handschuh wölbte.
    So sehr Xavius auch versuchte, sich nicht zu bewegen und ebenso reglos zu bleiben wie Laurania und die anderen – der Instinkt war stärker und zog die Hand zurück, bevor bewusster Wille ihn daran hindern konnte.
    Das glühende Band – es schien aus zahllosen winzigen Punkten zu bestehen, wie leuchtende Staubkörner, von einer unsichtbaren Kraft zusammengehalten – zuckte nach oben, und am Ende, dicht über den fingerartigen Erweiterungen, bildete sich ein Auge, das einen kalten, reptilienartigen Blick auf Xavius richtete. Dann verschwand das Licht, als hätte jemand eine Lampe ausgeschaltet. Xavius wollte schon aufatmen, als er durch den Helm ein Kratzen hörte, das offenbar von der Außenhülle des Kuriers stammte.
    »Verdammter Idiot!«, fluchte Laurania. »Jetzt haben sie Verdacht geschöpft.«
    »Vielleicht hat er es mit

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