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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Wind forttrug, und er sah … Flammen.
    Das All brannte.
    Ein kaltes Feuer loderte dort, eingebettet in schwarzes Nichts: zwei große Räder aus Myriaden Sternen, in einem Tanz erstarrt, der sie im Lauf von Hunderten Millionen Jahren vereinen würde. Zwei Galaxien, beide ungefähr gleich groß und von kleinen, unregelmäßig geformten Galaxien begleitet, kollidierten miteinander, die eine halb auf der Seite liegend, wie eine Fräse, die sich mit ihren Spiralarmen ins andere Feuerrad fraß. Auch wenn sich aus dieser Perspektive – Xavius schätzte die Entfernung auf zwanzig- oder dreißigtausend Lichtjahre – nichts zu bewegen schien: Gewaltige Strahlenstürme fegten durch die interstellaren Räume; Gravitationsbeben erschütterten Sonnen und Planeten; schlafende Schwarze Löcher erwachten und machten sich hungrig daran, Sonnen zu verschlingen, die ihnen zu nahe kamen. Es war ein feuriger Tanz, der Vorstellungen von immensen Katastrophen weckte, aber Xavius wusste: Bei der Durchdringung der beiden gewaltigen Galaxien würden sich nur wenige Sterne so nahe kommen, dass sie ineinanderstürzten; weitaus die meisten von ihnen würden aneinander vorbeifliegen, denn die Entfernungen zwischen ihnen waren einfach zu groß.
    Die Entfernung …
    Ohne die Mikromaschinen dauerte es etwas länger, bis Xavius etwas Wichtiges begriff: Er hatte nicht einige Hundert Lichtjahre zurückgelegt, sondern viele Tausend. Vielleicht sogar Millionen, dachte er erschrocken, denn in der Nähe der Milchstraße gab es keine kollidierenden Galaxien.
    »Wo sind wir?«, krächzte er.
    »Ich bringe uns zum nächsten Stillraum.« Diese Worte kamen von dem Mann mit der dumpfen Stimme, dem Piloten, der weiter vorn saß, von der hufeisenförmigen Navigationskonsole umschlungen. An seinem Hinterkopf klebte etwas, das wie eine Geschwulst aussah, graubraun und halb so groß wie eine Faust: ein Symbiont, von dem ein Datenkabel ausging und den Mann mit der Konsole verband.
    Neue Übelkeit erfasste Xavius, und deutlicher als zuvor spürte er das Jucken und Prickeln der Nadel. Etwas bewegte sich in seiner Brust, ein lebendes, ekelhaftes Etwas, das mit chemo-elektrischen Signalen, die es von einem externen Coder empfing, die Mikromaschinen lahmlegte. Nicht alle, aber die meisten, genug, damit sie unter der Kognitionsschwelle blieben, die Millionen und Milliarden winziger Maschinen – zahlreich wie die Sterne der beiden Galaxien – in einen Schwarm verwandelten.
    »Dies ist … abscheulich! «, brachte er hervor.
    »Was du getan hast, ist abscheulich, verdammt!«, knurrte der zweite Mann, dessen Stimme fast so rau war wie die eines Mortus und der rechts neben Xavius saß. Er schien um die fünfzig zu sein, hatte einen schiefen Mund, eine knollenförmige Nase und auffallend kleine Augen. Die Haut in der linken Gesichtshälfte war dunkler und grobporiger als die auf der rechten Seite. Drei dünne Zöpfe gingen von einem ansonsten kahlen Schädel aus, und in dem dunklen Haar glitzerten kleine Sensoren wie glasige Perlen. Er war es gewesen, der zuvor Xavius’ Hand beiseite gestoßen hatte, und er hielt noch immer seinen Arm fest. »Soll ich ihm einen Demobilisierer anlegen, Laura?«
    Die junge Frau mit dem offenen Gesicht antwortete dem Mann, richtete dabei aber einen ernsten Blick auf Xavius. »Das ist nicht nötig, Camaron. Er könnte dadurch zu einer Behinderung werden; vielleicht müssen wir schnell sein.« Sie hob einen kleinen Coder, damit Xavius ihn deutlich sehen konnte, ließ ihn dann in einer Tasche ihres Schutzanzugs verschwinden. »Unser kleiner Freund in Ihrer Brust wird das elektrische Potenzial der Mikromaschinen freisetzen, wenn Sie etwas gegen uns unternehmen oder sich weiter als zehn Meter von mir entfernen.« Sie klopfte auf die Tasche mit dem Coder. »Ich empfehle Ihnen, hübsch brav zu sein. Andernfalls bekommen Sie sehr unangenehme Krämpfe, die tödlich sein können. Haben Sie verstanden, Chronist?«
    »Was soll das alles?«, fragte Xavius. »Wer sind Sie? Wo befinden wir uns? Was hat dies zu bedeuten?«
    Das kleine Kurierschiff, mit dem sie unterwegs waren, bekam einen Stoß, so heftig, dass es zu rotieren begann. Die beiden kollidierenden Galaxien verschwanden aus dem Fenster vor Xavius, und ein Wald aus dunklen Gebilden erschien, die das Licht der beiden nahen Feuerräder einfingen, an einigen Stellen reflektierten und an anderen verschluckten. Was sich Xavius’ erstaunten Blicken darbot, war ein wüstes Durcheinander aus Objekten mit

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