Der letzte Regent: Roman (German Edition)
Licht rings um die auseinanderdriftenden Wrackteile des Kuriers, und Xavius wollte keine weiteren Phantome anlocken. Es erstaunte ihn, dass sie ignorierten, was im offenen Zylinder des Observatoriums geschehen war. Dieser Gedanke war ihm gerade durch den Kopf gegangen, als zwei der Leuchterscheinungen offenbar beschlossen, nach dem Rechten zu sehen. Sie wandten sich von den Resten des Kurierschiffes ab und näherten sich dem breiten Riss.
»Laura? Ich empfange nichts mehr, Laura. Nicht einmal Telemetrie. Wenn du mich hören kannst … Was ist mit Sirte und Camaron? Und was ist mit ihm? «
Oh, es geht mir gut, herzlichen Dank, dachte Xavius. Abgesehen davon, dass hier drin die Atemluft knapp wird und weitere Phantome unterwegs sind, nachdem eins von ihnen mindestens zwei von uns getötet hat.
»Die Fremden haben Hunderte von Scouts ausgeschickt, Laura«, fuhr die Stimme fort. »Und es werden immer mehr Schiffe transferiert. Einige der peripheren Verbindungen sind bereits unterbrochen, aber wir versuchen, die zur Tür im Observatorium offenzuhalten. Ich fürchte allerdings, dass wir in spätestens dreißig Minuten aufbrechen müssen. Man könnte fast meinen, dass die Scouts nach uns suchen, obwohl sie nichts von uns wissen können. Boris und die anderen holen so viel aus dem Depot, wie sie können. Es bricht ihnen das Herz, dass wir so viel zurücklassen müssen. Laura? Hörst du mich, Laura? Wir brauchen ihn. Bring ihn hierher.«
Dort lag sie, eingeklemmt zwischen zwei Trümmerstücken, vier oder fünf Meter von Xavius entfernt – er sah sie nur, weil die beiden Phantome so nahe herangekommen waren, dass ihr Licht tiefer in den Riss fiel. Die ID-Zeichen auf der Brust identifizierten den Träger des Schutzanzugs: Laurania.
Sie bewegte einen Arm; vielleicht hatte sie ihn bemerkt.
Xavius handelte instinktiv, stieß sich ab, schwebte durch die Schatten und versuchte, nicht auf das rote Gefahrensymbol zu achten, das am unteren Rand des Visiers blinkte und immer größer wurde. Mit der linken Hand betätigte er das am Instrumentengürtel befindliche manuelle Schaltelement für die Manovratoren, aber entweder waren die Systeme seines Schutzanzugs noch immer auf externe Kontrolle justiert, oder der EMP hatte sie außer Gefecht gesetzt.
Er erreichte die eingeklemmte Gestalt, als die beiden Phantome über die Ränder des Risses glitten und beim abgerissenen Arm verharrten, der sich gerade anschickte, ins All hinauszufliegen. Hinter dem Visier sah Xavius das Gesicht der jungen Frau, halb der Dunkelheit entrissen, und beobachtete, wie sich ihre Lippen bewegten. Aber er hörte nichts, kein einziges Wort. Mit dem Arm deutete sie zum Schacht.
Xavius nickte und machte sich an die Arbeit, in der Hoffnung, dass Laurania sein kurzes Zögern nicht bemerkte. Für einen Sekundenbruchteil hatte er überlegt, ob er ihr den Coder aus der Tasche nehmen sollte, um alle Funktionen des Schutzanzugs unter seine Kontrolle zu bringen, die Mikromaschinen zu reaktivieren und zu fliehen. Aber wohin sollte er fliehen? Und außerdem blieb dafür nicht genug Zeit. Die beiden Phantome schienen bereits das Interesse an Sirtes Arm und seinen kleinen roten Monden zu verlieren.
Er zog an dem Trümmerstück, einer Art Balken aus grauschwarzem Metall, aber es gab nur kurz nach. Daraufhin ging er in die Hocke, schob die Schulter darunter und spannte die Beinmuskeln, drückte mit ganzer Kraft. Der Balken gab nach, und gleichzeitig wurde Xavius schwarz vor Augen. Sauerstoffmangel, dachte er und kämpfte gegen die drohende Ohnmacht an. Er atmete noch schneller, hechelte fast, und ein Teil der Dunkelheit zog sich zurück.
Laurania war halb unter dem Trümmerstück hervorgekrochen. Xavius drückte es mit der Schulter noch etwas mehr zur Seite, streckte gleichzeitig die freie Hand aus, packte etwas vom flexiblen Material des Schutzanzugs und zog.
Licht flackerte, schuf neue Schatten und Schemen, von denen die meisten nur zwei oder drei Sekunden alt wurden. Xavius stieß sich erneut ab, ohne Lauranias Hand loszulassen, zog sie mit sich, dem Schacht entgegen, nahm sich dabei nicht einmal die Zeit zurückzusehen und festzustellen, wie dicht die Phantome hinter ihnen waren.
Er hatte sich verschätzt, beim Abstoßen nicht die zusätzliche Masse der Minerva-Frau berücksichtigt. Viel zu langsam näherten sie sich dem Schacht, und alles deutete darauf hin, dass sie an ihm vorbeifliegen würden. Als sich Konturen aus der Schwärze links von Xavius schälten, griff
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