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Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Der letzte Regent: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Regent: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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abgedichtet, Druck auf Minimum erhöht. Recycler ausgefallen. Sauerstoffautonomie: 14 Minuten.
    Eine Atempause, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Schmerz ließ nach, und Xavius versuchte, langsamer zu atmen. Seine Vermutung hatte sich als richtig erwiesen: Die Luft war nicht neben der Nadel entwichen, sondern durch sie. Die automatische Abdichtung war eine Frage des Materialgedächtnisses und funktionierte auch ohne externe Energieversorgung.
    Etwa zwanzig Sekunden später, nach einigen tiefen Atemzügen, dachte er: Nur vierzehn Minuten? Kann so viel Luft entwichen sein?
    Der Coder fiel ihm ein. Er wandte sich erneut der neben ihm schwebenden Gestalt zu und untersuchte die Taschen von Lauranias Raumanzug, fand jedoch nur Werkzeuge, mit denen er nichts anfangen konnte. Der Coder, mit dem die Minerva-Frau den Parasiten kontrolliert hatte, fehlte.
    Xavius horchte in sich hinein, spürte aber nicht die vertraute Präsenz des Schwarms. Entweder funktionierte der abscheuliche Parasit auch ohne den Teil, der ihm jetzt fehlte, oder die Mikromaschinen waren dauerhaft neutralisiert. In dem Fall brauchte er einen Initiator, um sie zu reaktivieren und zu einem Schwarm zu vereinen, und solche Initiatoren gab es nur im Endurium. Das hier, in dieser Zeit, seit dreieinhalb Milliarden Jahren nicht mehr existierte.
    Zumindest hatte Laurania das behauptet.
    Noch dreizehn Minuten Luft zum Atmen und Zeit zu denken …
    Licht kroch durch die Lücken zwischen den Segmenten der Luke, schwach wie die ersten Vorboten der Morgendämmerung, aber ein deutlicher Hinweis darauf, dass Phantome durch den Schacht schwebten und sich näherten.
    Alles in Xavius drängte zur Flucht, und er war schon halb an Laurania vorbei, als er begriff, dass er sich anschickte, sie einfach zurückzulassen. Wieder zögerte er, wie oben in dem Raum mit dem breiten Riss in der Außenwand, und griff zu, ohne zuvor eine bewusste Entscheidung zu treffen. Es war der Instinkt, dem er gehorchte. Laurania mochte ein Splitter -Mensch sein und zu Minerva gehören, aber sie war ein Mensch, den Phantomen hilflos ausgeliefert, wenn sie diesen Korridor erreichten. Xavius schloss die Hand um ihren Instrumentengürtel, stieß sich mit den Füßen ab und flog durch den Gang.
    Die Finsternis machte es nicht einfach. Immer wieder stieß er gegen Hindernisse, die plötzlich in der Dunkelheit auftauchten – Trümmer oder seltsame Buckel, die aus den Wänden ragten –, und einmal bekam Laurania die ganze Wucht des Aufpralls zu spüren. Erschrocken hielt Xavius inne und beobachtete ihr Gesicht im schwachen Schein der internen Indikatoren. Sie wirkte noch blasser, und ihre Lider zitterten.
    Er drückte seinen Helm an ihren, damit Schallwellen übertragen werden konnten. »Die Tür«, sagte er. »Wo befindet sie sich? Und wie kann sie uns zu dem Depot bringen?«
    Laurania öffnete die Augen, starrte aber ins Leere und schien ihn gar nicht zu sehen. Sie hustete, und Blut spritzt von innen ans Visier.
    »Die Tür, Laurania«, drängte Xavius. »Wo ist sie? Beschreiben Sie mir den Weg!«
    »Im alten Maschinensaal.« Er konnte ihre Stimme kaum hören. »Auf … dem Dorn. Aber sie muss … stabil sein. Verstanden? Stabil.«
    Hinter dem Schleier aus Blut schlossen sich ihre Augen wieder.
    Ein schneller Blick in die Richtung, aus der sie gekommen waren, zeigte Xavius nichts als Dunkelheit. Er hoffte, dass die Phantome weit genug entfernt waren, als er nach den Kontrollen langte und versuchte, seine Helmlampe einzuschalten. Nichts geschah; es blieb dunkel.
    Bei Laurania hatte er mehr Erfolg. Die kleine Lampe in der Stirnseite des Helms blitzte auf, als er den manuellen Notschalter daneben betätigte. Nur ein oder zwei Sekunden, mehr wagte Xavius nicht – er schaltete die Lampe wieder aus, und sofort kehrte die Dunkelheit zurück.
    Vorn gabelte sich der Korridor, und die rechte Abzweigung schien in einen größeren Raum zu führen, so viel hatte er gesehen, und so viel musste vorerst genügen.
    Sauerstoffautonomie: 7 Minuten.
    Nur noch sieben Minuten? Die Hälfte der Zeit, die ihm noch blieb, war bereits vergangen?
    Du verbrauchst zu viel Luft, dachte er und stieß sich erneut ab, die rechte Hand wieder um den Instrumentengürtel von Lauranias Schutzanzug geschlossen. Weil du dich zu sehr anstrengst. Ohne die Minerva-Frau kämst du leichter vorwärts, und dir bliebe mehr Zeit.
    Xavius befürchtete, sich verschätzt zu haben, als er mit der Schulter gegen etwas stieß, doch dann begriff er, dass es

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