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Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Titel: Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Aufzeichnung eines Falles zu, der sich als eine Kette ungewöhnlicher, wenngleich auch besonders schrecklicher Ereignisse herausstellte.
      Es war an einem glühendheißen Tag im August. Die Baker Street war wie ein Backofen, und die Helligkeit des Sonnenlichts auf dem gelben Mauerwerk des Hauses gegenüber machte die Augen schmerzen. Man wollte nicht glauben, daß dies dieselben Mauern waren, die der winterliche Nebel bis zu Undeutlichkeit verdüsterte. Unsere Rouleaus waren halb heruntergelassen, Holmes lag zusammengerollt auf dem Sofa und las einen Brief, den er mit der Morgenpost erhalten hatte, und las ihn noch einmal. Was mich betrifft, so hatte meine Dienstzeit in Indien mich darin trainiert, Hitze besser auszuhalten als Kälte, und ein Thermometerstand von 32 Grad bereitete mir keine Beschwerden. Aber die Morgenzeitung war uninteressant. Das Parlament hatte sich vertagt. Jedermann hatte die Stadt verlassen, und ich sehnte mich nach den Lichtungen des New Forest oder dem Kiesstrand von Southsea. Ein leeres Bankkonto hatte mich veranlaßt, die Ferien zu verschieben, und was meinen Freund betraf, so übte weder das flache Land noch die See die geringste Anziehungskraft auf ihn aus. Er liebte es, inmitten von fünf Millionen Menschen herumzuliegen, die Fühler ausgestreckt und so jedes kleine Gerücht über ein unaufgeklärtes Verbrechen und den geringsten Verdacht aufnehmend, jederzeit bereit, zu reagieren. Liebe zur Natur hatte keinen Platz unter seinen vielen Gaben, und seine einzige Abwechslung, wenn er die Gedanken von den Übeltätern in der Stadt abwandte, bestand darin, seinen Bruder auf dem Land zu besuchen.
      Da Holmes zu beschäftigt war, um sich zu unterhalten, hatte ich die dürftige Zeitung beiseite geschoben, mich in meinem Sessel zurückgelehnt und war in düsteres Brüten verfallen. Plötzlich brach die Stimme meines Gefährten in meine Gedanken.
      »Sie haben recht, Watson«, sagte er, »es scheint wirklich eine höchst unsinnige Art zu sein, einen Streit zu beenden.«
      »Höchst unsinnig!« rief ich aus, und als ich dann gewahr wurde, wie er ein Echo auf meine innersten Gedanken gegeben hatte, setzte ich mich im Sessel auf und starrte ihn in sprachlosem Erstaunen an.
      »Was soll das, Holmes?« rief ich. »Das geht über meine Vorstellungskraft.«
      Er lachte lauthals über meine Verwirrung.
      »Sie erinnern sich«, sagte er, »daß Sie vor einiger Zeit, als ich Ihnen die Passage aus Poes Geschichte vorlas, in der ein strenger Denker den unausgesprochenen Gedanken seines Gefährten folgt, geneigt waren, die Sache als bloße tour de force des Autors abzutun. Auf meine Bemerkung hin, daß ich schon immer gewohnt war, dies zu tun, drückten Sie Ungläubigkeit aus.«
      »Aber nein!«
      »Vielleicht nicht mit der Zunge, mein lieber Watson, aber bestimmt mit den Brauen. Als ich nun bemerkte, wie Sie die Zeitung beiseite schoben und sich dem Zug Ihrer Gedanken hingaben, war ich sehr froh, daß sich mir die Gelegenheit bot, ihn von Ihrem Gesicht ablesen und vielleicht sogar in ihn einzudringen, als Beweis dessen, daß ich en rapport mit Ihnen bin.«
      Aber die Erklärung stellte mich noch lange nicht zufrieden.
      »In dem Beispiel, das Sie mir vorgelesen hatten«, sagte ich, »zog der Denker seine Schlüsse aus den Handlungen des Mannes, den er beobachtete. Wenn ich mich recht erinnere, stolperte er über einen Steinhaufen, schaute zu den Sternen auf und so weiter. Aber ich habe ruhig in meinem Sessel gesessen, welche Hinweise könnte ich Ihnen schon gegeben haben?«
      »Sie tun sich selber unrecht. Das Gesicht ist dem Menschen gegeben, damit er seine Gefühle ausdrückt. Und Ihr Gesicht ist ein treuer Diener.«
      »Soll das heißen, Sie lesen mir meinen Gedankengang vom Gesicht ab?«
      »Von Ihrem Gesicht, besonders von den Augen. Vielleicht wissen Sie nicht mehr, wie Ihre Träumerei angefangen hat.«
      »Ich weiß es nicht mehr.«
      »Dann werde ich es Ihnen sagen. Nachdem Sie die Zeitung beiseite geschoben hatten – und das war die Handlung, die meine Aufmerksamkeit auf Sie lenkte –, saßen Sie eine halbe Minute mit ausdruckslosem Gesicht da. Dann hefteten sich Ihre Blicke auf das neugerahmte Bild von General Gordon, und ich sah an den Veränderungen in Ihrem Gesicht, daß sich ein Zug von Gedanken in Bewegung setzte. Aber er führte Sie nicht sehr weit. Ihre Augen richteten sich auf das ungerahmte Bild von Henry Ward Beecher, das oben auf Ihren

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