Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Titel: Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
muß uns nun nach Woolwich führen.«
      Im Postamt London Bridge setzte Holmes ein Telegramm an seinen Bruder auf, das er mich lesen ließ, ehe er es aufgab. Es lautete:
      ›Sehe etwas Licht in der Dunkelheit, aber vielleicht verlischt es. Sende mir inzwischen per Boten in die Baker Street eine vollständige Liste aller Spione und ausländischen Agenten, die sich in England aufhalten, mit den vollen Adressen. – Sherlock.‹
      »Das dürfte uns weiterbringen, Watson«, setzte er hinzu, als wir unsere Plätze im Zug nach Woolwich einnahmen. »Wir stehen in Mycrofts Schuld, da er uns in einen Fall eingeführt hat, der sehr bemerkenswert zu werden verspricht.«
      Auf seinem Gesicht lag noch immer der Ausdruck intensiver, hochgespannter Energie, was mir andeutete, daß er einen neuen und vielsagenden Umstand entdeckt hatte, der einen stimulierenden Gedankengang eröffnete.
      Vergleichen Sie einen zur Fuchsjagd abgerichteten Hund mit schlaffen Ohren und hängendem Schwanz, der in der Gosse herumlungert, mit einem ebensolchen Hund, der mit leuchtenden Au gen und gespannten Muskeln auf frischer Fährte läuft, dann bekommen Sie einen Begriff von der Veränderung, die Holmes seit dem Morgen durchgemacht hatte. Er war ein ganz anderer als die lasche, faulenzende Figur im mausgrauen Hausrock, die noch wenige Stunden zuvor unruhig in dem vom Nebel umbrodelten Zimmer umherstrich.
      »Material ist da. Es gibt ein Ziel. Ich muß tatsächlich stupid sein, daß ich die Möglichkeiten nicht begriff.«
      »Für mich liegen sie noch immer im dunkeln.«
      »Das Ende ist auch für mich dunkel, aber mir ist ein Gedanke gekommen, der uns weit bringen kann. Der Mann ist woanders getötet worden, und seine Leiche befand sich auf dem Dach eines Wagens.«
      »Auf dem Dach!«
      »Bemerkenswert, nicht wahr? Aber erwägen Sie die Tatsachen. Kann es Zufall sein, daß man ihn gerade dort fand, wo die Bahn stoßend und schaukelnd über Weichen fuhr? Ist das nicht eine Stelle, wo ein auf dem Dach befindliches Objekt höchstwahrscheinlich herunterfallen muß? Die Weichen können den Dingen, die sich innerhalb des Zuges befinden, nichts anhaben. Entweder die Leiche ist vom Dach gefallen, oder es handelt sich um ein sehr sonderbares Zusammentreffen. Und dann die Sache mit dem Blut. Natürlich konnten wir keine Blutspur auf dem Gleiskörper entdekken, wenn der Mann woanders geblutet hat. Jede einzelne Tatsache birgt Hinweise in sich. Zusammengenommen wirken sie überwältigend.«
      »Und das Fehlen der Fahrkarte paßt dazu!« rief ich.
      »Genau. Wir konnten ihr Fehlen nicht erklären. Dies würde es erklären. Alles stimmt überein.«
      »Aber angenommen, es verhält sich so, dann wären wir trotzdem noch ebenso weit wie zuvor von der Auflösung des Rätsels um diesen Tod entfernt. Tatsächlich wird es nicht einfacher, sondern nur seltsamer.«
      »Vielleicht«, sagte Holmes gedankenvoll. »Vielleicht.«
      Er fiel zurück in stilles Träumen, bis der Personenzug schließlich auf der Woolwich Station anhielt. Dort rief er eine Droschke und zog Mycrofts Notizblatt aus der Tasche.
      »Wir haben eine ganz hübsche Besuchsrunde für den Nachmittag vor uns«, sagte er. »Ich denke, Sir James Walter verdient als erster unsere Aufmerksamkeit.«
      Der berühmte Beamte wohnte in einer schönen Villa. Grüner Rasen zog sich bis hin zur Themse. Als wir ankamen, hob sich der Nebel schon, und ein blasser, wässeriger Sonnenschein brach durch. Ein Butler erschien auf unser Läuten.
      »Sir James, Sir!« sagte er mit feierlichem Ge
    sicht. »Sir James ist heute morgen gestorben.«
      »Lieber Himmel!« rief Holmes überrascht. »Wie denn?«
      »Vielleicht möchten Sie eintreten, Sir, und mit seinem Bruder, Colonel Valentine, sprechen?«
    »Ja, das wird das beste sein.«
      Wir wurden in einen düsteren Salon geführt. Einen Augenblick später trat ein sehr großer, gutaussehender, hellbärtiger Mann von fünfzig zu uns, der jüngere Bruder des toten Wissenschaftlers. Wilde Augen, fleckige Wangen und wirres Haar sprachen deutlich von dem plötzlichen Schlag, der das Haus getroffen hatte. Er war kaum zu verstehen, als er davon sprach.
      »Es war dieser entsetzliche Skandal«, sagte er. »Mein Bruder, Sir James, war ein Mann von sehr empfindlichen Ehrbegriffen, und eine derartige Affäre konnte er nicht überleben. Sie brach ihm das Herz. Er war immer so stolz auf die Leistungen seiner Abteilung, und das war

Weitere Kostenlose Bücher