Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4
entweder mit einer anderen Feder oder von jemand anderem geschrieben worden. Sie ist breiter und kühner, wie Sie sehen.«
»Eine sehr bemerkenswerte Nachricht«, sagte Holmes, nachdem er den Brief überflogen hatte. »Ich muß Ihnen, Mr. Baynes, ein Kompliment machen wegen der Aufmerksamkeit, mit der Sie jede Einzelheit beachtet haben. Vielleicht könnte man noch ein paar nebensächliche Punkte hinzufügen. Die ovale Petschaft war zweifellos nichts anderes als ein glatter Manschettenknopf – was sonst sollte es gewesen sein bei dieser Form? Die Schere war eine gebogene Nagelschere. So kurz die Schnitte auch sind, man kann deutlich jedesmal die leichte Kurve erkennen.«
Der Detektiv vom Land lachte in sich hinein.
»Ich dachte, ich hätte schon allen Saft herausgepreßt, aber jetzt sehe ich, daß noch ein bißchen drin war«, sagte er. »Ich schließe nichts aus dem Brief, als daß irgend etwas in Vorbereitung war und daß wie gewöhnlich eine
Während dieser Unterhaltung war Mr. Scott Ec
cles unruhig hin- und hergerutscht.
»Ich bin froh, daß Sie die Nachricht entdecken konnten, da sie meine Geschichte bestärkt«, sagte er. »Aber ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, daß ich bis jetzt noch nichts darüber erfahren habe, was aus Mr. Garcia und seinen Hausgenossen geworden ist.«
»Was Garcia angeht«, sagte Gregson, »läßt sich die Frage leicht beantworten. Er wurde heute morgen tot auf der Gemeindeweide von Oxshott aufgefunden, fast eine Meile von seinem Haus entfernt. Sein Kopf war zu Brei geschlagen, mit einem Sandsack oder einem ähnlichen Instrument, das eher zermalmt als Wunden verursacht. Das ist ein einsamer Ort, im Umkreis von einer Viertelmeile gibt es kein Haus. Anscheinend ist er erst von hinten niedergeschlagen worden; doch sein Angreifer hat noch lange, nachdem er tot war, auf ihn eingedroschen. Es war ein äußerst wütender Angriff. Fußabdrücke oder andere Spuren konnten nicht entdeckt werden.«
»Wurde er beraubt?«
»Nein, der Versuch, ihn zu berauben, wurde nicht unternommen.«
»Es ist sehr schmerzlich – schmerzlich und schrecklich«, sagte Mr. Scott Eccles in jammerndem Ton. »Es trifft mich sehr hart. Ich hatte nichts damit zu tun, daß mein Gastgeber zu einem nächtlichen Ausflug aufbrach und dabei ein so trauriges Ende fand. Wieso also werde ich in den Fall hineingezogen?«
»Sehr einfach, Sir«, antwortete Inspektor Baynes. »Das einzige Schriftstück, das wir in den Ta schen des Ermordeten fanden, war ein Brief von Ihnen, in dem stand, daß Sie ihn in der Nacht seines Todes besuchen wollten. Durch die Adresse auf dem Kuvert haben wir erst den Namen des Toten und des Hauses, in dem er wohnte, erfahren. Nach neun Uhr heute Morgen kamen wir dorthin und trafen weder Sie noch irgend jemand anderen an. Ich telegraphierte Mr. Gregson, Sie in London zu verfolgen, während ich ›Wisteria Lodge‹ untersuchte. Dann fuhr ich in die Stadt, traf mich mit Mr. Gregson, und nun sind wir hier.«
»Ich denke«, sagte Gregson und erhob sich, »wir sollten die Sache jetzt amtlich machen. Sie werden uns zum Polizeirevier begleiten, Mr. Scott Eccles, und Ihre Aussage schriftlich niederlegen.«
»Selbstverständlich komme ich sofort mit. Aber ich möchte Ihre Dienste nicht entbehren, Mr. Holmes. Sparen Sie weder Geld noch Mühe, die Wahrheit herauszubekommen.«
Mein Freund wandte sich dem Kriminalisten vom Land zu.
»Ich nehme an, Sie haben nichts dagegen, wenn wir zusammenarbeiten, Mr. Baynes.«
»Es wäre eine große Ehre für mich, Sir.«
»Sie scheinen in allem sehr zuverlässig und sachkundig zu Werk gegangen zu sein. Darf ich fragen, ob es einen Hinweis auf die genaue Todesstunde des Mannes gibt?«
»Er muß dort seit ein Uhr gelegen haben. Ungefähr um diese Zeit hat es geregnet, und sein Tod ist mit Sicherheit vor dem Regen eingetreten.«
»Aber das ist völlig unmöglich, Mr. Baynes!«
rief unser Klient. »Seine Stimme war unverwechselbar. Ich könnte darauf schwören, daß er der Mann war, der mich in meinem Schlafzimmer um genau die Uhrzeit angesprochen hat.« »Merkwürdig, aber keinesfalls unmöglich«, sagte Holmes lächelnd.
»Haben Sie einen Anhaltspunkt?« fragte Gregson.
»Auf den ersten Blick scheint der Fall nicht sehr verwickelt, obgleich er sicherlich einige neue und interessante Züge bietet. Ich muß aber erst mehr Tatsachen kennenlernen, ehe ich es wage, mir eine abschließende
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