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Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4

Titel: Der letzte Streich des Sherlock Holmes, Bd. 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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pflegen zum Beispiel ihre insularen Konventionen, die auf jeden Fall beachtet werden müssen.«
      »Meinen Sie ›gute Manieren‹ und dergleichen?« Von Bork seufzte wie einer, der viel gelitten hat.
      »Ich meine das britische Vorurteil mit all seinen verdrehten Erscheinungen. Als ein Beispiel darf ich auf einen meiner größten Schnitzer verweisen – ich kann es mir erlauben, von meinen Fehlern zu sprechen, denn Sie kennen meine Arbeit gut genug, und so auch meine Erfolge. Man hatte mich zu einer Wochenendgesellschaft in das Landhaus eines Ministers eingeladen. Die Unterhaltung war erstaunlich indiskret.«
      Von Bork nickte. »Ich war dort«, entgegnete er trocken.
      »Stimmt. Nun, ich schickte natürlich ein Resümee dessen, was ich erfahren hatte, nach Berlin. Unglücklicherweise denkt unser guter Kanzler in solchen Angelegenheiten ein bißchen schwerfällig, und er ließ ein Wort fallen, dem man anmerken konnte, daß er wußte, was gesprochen worden war. Die Spur führte selbstverständlich direkt zu mir. Ich möchte Ihnen nicht schildern, wie mir das geschadet hat. In dem Falle gab es keinerlei Weichheit auf Seiten unserer britischen Gastge ber, daß versichere ich Ihnen. Zwei Jahre brauchte ich, bis die Sache aus der Welt geschafft war. Und Sie bewältigen das alles mit Ihrer sportlichen Pose.«
      »Nein, nein, nennen Sie es nicht Pose. Eine Pose ist etwas Künstliches. Bei mir ist das ganz natürlich. Ich bin ein geborener Sportsmann. Ich genieße es.«
      »Na ja, dadurch wurden Sie noch erfolgreicher. Sie stellen sich ihnen zu Segelregatten, Sie jagen mit ihnen, Sie spielen Polo, Sie nehmen es mit ihnen in jeder Sportart auf, und wie Sie einen Vierspänner fahren, das ist olympiareif. Ich habe sogar erfahren, daß Sie mit ihren jungen Offizieren beim Boxen über die volle Distanz gehen. Was ist das Ergebnis? Sie vermuten bei Ihnen nichts Ernstes. Sie gelten als ›prima Sportkamerad‹, als ein ›ganz brauchbarer Deutscher‹, als ein Bursche, der herumsäuft, Nachbarn besucht, die Gegend durchstreift und sich den Teufel um die Welt schert. Währenddessen ist Ihr stilles Landhaus Ausgangspunkt der Hälfte des Schadens, der England widerfährt, und der sportliche Gentleman der gerissenste Geheimagent von Europa. Sie sind ein Genie, von Bork – ein Genie!«
      »Sie schmeicheln mir, Baron. Aber ich kann mir gewiß zugute halten, daß die vier Jahre in diesem Land nicht unproduktiv gewesen sind. Ich habe Ihnen noch nie mein kleines Depot gezeigt. Möchten Sie wohl für einen Augenblick eintreten?«
      Das Arbeitszimmer führte direkt auf die Terrasse. Von Bork schob die Tür auf, ging voran und knipste das elektrische Licht an. Er schloß die Tür hinter dem schwergewichtigen Mann, der ihm gefolgt war, und zog sorgfältig den schweren Vorhang vor das vergitterte Fenster. Erst nach diesen Vorsichtsmaßregeln, die er noch einmal überprüfte, wandte er sein sonnengebräuntes, adlerhaftes Gesicht dem Gast zu.
      »Einige meiner Papiere sind schon fort«, sagte er. »Als meine Frau und die Dienerschaft gestern nach Flushing abreisten, nahmen sie die weniger wichtigen mit. Was die anderen angeht: für sie muß ich natürlich den Schutz der Botschaft in Anspruch nehmen.«
      »Ihr Name ist bereits auf die Liste des Personals gesetzt worden. Für Sie und Ihr Gepäck wird es keine Schwierigkeiten geben. Natürlich kann es auch sein, daß wir nicht abzureisen brauchen. Vielleicht überläßt England Frankreich seinem Schicksal. Wir sind sicher, daß es zwischen ihnen keinen bindenden Vertrag gibt.«
      »Und Belgien?«
      »Mit Belgien besteht auch kein solcher Vertrag.«
      Von Bork schüttelte den Kopf.
      »Ich glaube nicht, daß es so kommen wird. Es gibt einen definitiven Vertrag. Dieses Land würde sich von solch einer Demütigung nie erholen.«
      »Aber es hätte im Augenblick wenigstens Frieden.«
      »Und seine Ehre?«
      »Pah! Mein lieber Herr, wir leben in einem Zeitalter des Utilitarismus. Ehre ist ein mittelalterli cher Begriff. Außerdem ist England auf Krieg nicht vorbereitet. Es ist zwar unvorstellbar, aber selbst die Erhöhung unseres Kriegsbudgets um fünfzig Millionen, wodurch – sollte man annehmen – unsere Absicht so deutlich wurde, als hätten wir sie auf der ersten Seite der ›Times‹ annonciert, hat dieses Volk nicht aus dem Schlaf geweckt. Hier und da hört man eine Frage. Meine Aufgabe ist es dann, eine Antwort zu finden. Hier und da gibt es

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