Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Kyle, dass er genau in die andere Richtung flüchten musste, zurück über die Leiche von Jed, oder was von ihr noch vorhanden war, und zwischen den grässlichen Dingern hindurch, die sich über seinen gefallenen Kameraden hergemacht hatten. Schon allein der Gedanke daran ließ ihn erbeben. Sein Gesicht zuckte, am liebsten wäre er in Tränen ausgebrochen, aber dafür war keine Zeit. Panik durchfuhr ihn. Er wusste, dass er jetzt sofort losrennen musste, irgendwohin, tiefer hinein in das Gebäude, aber gleichzeitig musste er dieses tief empfundene Gefühl totaler Hilflosigkeit und endgültiger Kapitulation bekämpfen, das ihn niederdrückte. Aber wenn er sich jetzt zitternd und bibbernd in eine Ecke hockte, würden sie sofort kommen und ihn zerfleischen.
Ende. Das Ende. Das hier war sein Ende. Katherine hatte gewonnen. Sie wird in dieses Kind hineinfahren. Dieses Kind. Wieder ein Kind. Kyle stöhnte laut auf. Dann fuhr er wie elektrisiert auf, und im Mahlstrom seiner durcheinanderwirbelnden Gedanken manifestierte sich eine Idee.
Während er mit einer Hand die Kamera hielt, zielte er mit der Pistole über das kreischende Wabern der knochigen Körper in der Lobby hinweg auf den unförmigen massigen Leib und sprach dabei laut vor sich hin, ohne zu wissen, was er da sagte und an wen es gerichtet war. Es war der nackte Überlebensinstinkt, der ihn jetzt antrieb, als er sich breitbeinig hinstellte und fünf Schüsse durch den Korridor auf dieses Ding abgab, das sich da so hingebungsvoll und gierig schmatzend satt fraß.
Ein feuchter Aufschlag war zu hören, als das monströse Vieh auf sein Hinterteil fiel. Ein schriller Schrei drang in Kyles Ohren und machte sie taub, als würde ihm jemand dicke Handschuhe darauf drücken. Im wackeligen Sucher war zu sehen, wie die dunkel behaarten Schenkel des Schweins im blassen Licht erbebten, als wäre es dort getroffen worden. Aber das feucht glänzenden Monstrum, das sich so eifrig über Max’ Leiche hergemacht hatte, stützte sich jetzt am Boden ab, stemmte sich schwankend wieder hoch und blieb auf allen vieren hocken, unter sich die angefressenen Überreste des armen Max.
Einen Atemzug später war der verwundete massige Körper bedeckt von dürren Gestalten, die mit ihren zappelnden Armen und Beinen an ihm zerrten und sich gierig ans Werk machten. Kyle wandte sich ab, als der perverse Schwarm knochiger Leiber begann, die ersten Fleischstücke aus dem Unheiligen Schwein zu hacken.
Er lief zurück zu dem Zimmer, in dem Jed umgekommen war. Er war noch immer gefangen. Die ganze Halle war eine einzige Orgie des Schmerzes und der Zerstückelung. Hinter ihm waren die Blutsfreunde immer noch damit beschäftigt, Jeds Körper bis auf die Knochen abzunagen. Aber genau wie er es erhofft hatte, richteten sich die Körperfresser jetzt auf und ließen von ihrem immer magerer werdenden Mahl ab, um sich dem vielversprechenden Tumult zuzuwenden, der in der Lobby ausgebrochen war. Im Sucher sah er drei dunkle Köpfe, die sich wiehernd von dem niedergestreckten Opfer lösten wie aasfressende Hyänen in der afrikanischen Savanne. Ihre Fratzen waren besudelt, aber in ihren weiß schimmernden Augen konnte Kyle den eifrigen Drang erkennen, sich in maßloser, unstillbarer Gier dem nächsten Opfer zuzuwenden, um erneut ihre schmutzigen Klauen und zerbrochenen Zähne in das frische Fleisch zu graben. Als er sah, dass sie abgelenkt waren und dicht an ihm vorbei hastig durch den Flur krabbelten, verspürte Kyle den Impuls, sich den Lauf
der Pistole in den Mund zu stecken und abzudrücken. Aber sie bemerkten ihn nicht, sondern hechelten weiter zur Lobby, wo das gefallene Schwein laut blökend um sich schlug und verzweifelt versuchte, sich der klapprig dürren Knochenwesen zu erwehren, die es bedrängten.
Eben noch hoffnungslos und verzweifelt, spürte Kyle nun neuen Mut, und bevor er es selbst bemerkte, hatte er sich schon in Bewegung gesetzt und taumelte weg von dem Ort, an dem sich diese unglaubliche Menge gebrechlicher Gestalten zusammengefunden hatte, um lautstark Blut zu lecken.
Einen Meter vor Jeds ausgeweidetem Körper, der im Flur auf dem Teppichboden lag, blieb er stehen. Er richtete die Kamera auf die Leiche, schaute durch den Sucher und bemühte sich zu ignorieren, was da vor ihm lag und ihn aus einem verbliebenen Auge leblos anstarrte. Eine der Fackeln, nach denen er suchte, war zerbrochen, die anderen beiden hingen nass, aber noch intakt an dem nun völlig nutzlosen Kampfgurt. Kyle nahm sie
Weitere Kostenlose Bücher