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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Ende des Korridors auf allen vieren herankroch. Das Ding war eingehüllt in ein undefinierbares Durcheinander fleckiger
Stofffetzen, die irgendwann einmal die Kleider von Chet Regal gewesen waren. Die modrige Gestalt hatte es tatsächlich geschafft, sich eins der Maßhemden des Hollywoodstars anzuziehen. Und sie sprang nach vorn mit der Vehemenz eines Leoparden, der eine Gazelle reißen will. Sie erreichte das Ziel und warf sich darauf, mit wilden Tritten und Schlägen ihrer Klauen, und ihr Maul versuchte, an den Überresten von Jed zu knabbern. Kyles Beine fühlten sich taub an, seine weit aufgerissenen Augen füllten sich mit Tränen.
    Jetzt waren es drei Blutsfreunde, die Jeds Leiche ausweideten, und sie waren so eifrig dabei, dass sie ihn gar nicht bemerkten, obwohl er ganz in der Nähe stand. Das war der einzige Grund, warum er noch lebte. Er unterdrückte den Drang sich zu übergeben, wandte sich ab und taumelte den Korridor entlang zur Lobby. Den Sucher der Kamera benutzte er als Sichtgerät, mit dem er in alle Richtungen spähte, um herauszufinden, ob es einen freien Weg durchs Treppenhaus nach unten gab.
    Nachdem er drei Stufen hinabgestiegen war, blieb er abrupt stehen. Max war nicht sehr weit gekommen, und es war ihm auch nicht gelungen, den Weg frei zu schießen.
    Zuerst war Kyle sich nicht sicher, ob das Grunzen und Quieken von Max stammte oder von dem blassen unförmigen Körper, der gerade eben erst hier angekommen sein musste oder sich auf die Lauer gelegt hatte, um sich Max zu schnappen, als er zum Treppenhaus rannte. Das Ding hatte die Ausmaße eines Bären, stand nun auf den Hinterbeinen und hielt Max’ Körper in die Höhe, um ihn von den anderen fernzuhalten, die Kyle zum Glück nicht genauer sehen konnte. Er erkannte nur ein undeutliches Gewimmel hinter den Beinen der massigen Gestalt. Sie reckten und streckten sich und bettelten, an dem Festmahl teilnehmen zu dürfen. Er hörte sie knurren und schnattern, hörte animalische Freudenschreie aus dem Gedränge der ausgemergelten Silhouetten. Die ganze Lobby des zweiten Stocks war erfüllt
von pochenden und schabenden Geräuschen von dort, wo Max’ sterbliche Überreste zerfleischt wurden.
    Die Auflösung des Suchers reichte nicht, um am Ende des Treppenhauses etwas sehen zu können. Die Umrisse der mächtigen Gestalt waren zunächst nur undeutlich zu erkennen, dann aber bemerkte Kyle an der Stelle, wo er den Kopf vermutete, eine feuchte Schnauze. Darunter den schwärzlichen fetten Wanst einer Sau, deren Zitzen feucht schimmerten.
    Einem grässlich klingenden Klatschen folgte ein unmenschliches Schnaufen und dann das schnappende Mampfen eines Mauls, aus dem nasse Klumpen zu Boden fielen. Auf dem schwach leuchtenden, ruckenden Sucherbild glaubte Kyle noch glitzernde schwarze Augen zu sehen, die tief in von üppig sprießenden Borsten halb zugewachsenen Höhlen saßen. Ein schmatzendes Grunzen entrang sich dem hässlichen Schlund. Feucht glänzende Hauer blitzten auf, und er konnte erkennen, dass der glitschige Körper dieses Monstrums in zerrissene Klamotten gehüllt war. Aufrecht stand es da, seine Blöße bedeckt mit den Überresten eines fadenscheinigen Gewands, das vor vierhundert Jahren einem festlich gekleideten Bischof gehört hatte. Und während das Unheilige Schwein auf den Hinterbeinen hin und her schwankte, schwirrte um diesen blasphemischen Oberpriester eine ganze Versammlung kreischender und jammernder Vogelscheuchen, die ihre dünnen Knochenhände nach oben schleuderten, um freudig das zu begrüßen, was von dem geräuschvollen Festmahl für sie abfiel.
    Max’ dünne Gliedmaßen krümmten sich, zappelten vielleicht sogar noch, bis das Quieken des schweinischen Monstrums die letzten Schreie dieses Mannes übertönte, der bei lebendigem Leib aufgefressen wurde. Das letzte Zucken von Max’ Todeskampf und sein gequältes Stöhnen sorgten dafür, dass sich der gesamte Vorraum nur noch mehr mit spinnenartig umherwuselnden Gestalten füllte, die aus dem unteren Stockwerk und aus den
umliegenden finsteren Korridoren herbeiströmten. Maximillian Solomon war vernichtet, war nicht mehr da, hatte sein Ende gefunden, als er versuchte, den monströsen Wahnsinn zu stoppen, den er unwissentlich im Jahr 1967 begründet hatte.
    Lobby und Treppenhaus waren nun völlig blockiert. Nichts und niemand würde den Weg nach unten lebendig überstehen. Das bisschen Vernunft, das ihm trotz des auf ihn einstürzenden Terrors und Ekels noch geblieben war, sagte

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