Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Jacobs’ berühmter Geschichte von der Affenpfote. Sein Wunsch, eine spannende, einmalige Dokumentation zu verwirklichen, war in Erfüllung gegangen. Und das in einer Zeit der ökonomischen Krise, wo Aufträge für Kino- oder Fernsehfilme auf unabsehbare Zeit überhaupt nicht mehr zu bekommen waren. Aber er hatte jetzt den Filmdeal seines Lebens im Sack, die Frage war nur: Was verbarg sich noch alles in diesem Sack? Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob dieser Drang, unbedingt Filme machen zu wollen, ihn womöglich ins Verderben stürzte, so wie viele es ihm prophezeit hatten. Auch wenn seine armen Eltern und seine Freunde dabei nur an seinen finanziellen Ruin gedacht hatten und nicht an das, was er aufrührte, wenn er an den falschen Stellen im Dreck stocherte.
Aber es gab keinen Zweifel, dass er endlich mal wieder unter Strom stand. Ja, er hatte Angst, war verunsichert und nicht in der Lage zu erkennen, was da auf ihn zukam, trotzdem war dies die Gelegenheit, die beste Arbeit seiner gesamten Karriere abzuliefern. Alles hing an dieser Produktion, an diesem Film. Das war sein großes Werk. Das Thema, das er immer umkreist, aber nie gefunden hatte. Jetzt war es da. Die Letzten Tage. Sogar ohne die hunderttausend Pfund Honorar hätte er den Film gemacht. Er war viel zu sehr von den Möglichkeiten dieses Projekts eingenommen, um jetzt aufzugeben. Die Reise, die Schlaflosigkeit, die endlose Warterei am Drehort, das wochenlange Sichten des Rohmaterials, das Schneiden, das Polieren der letzten Fassung, all das, was in den nächsten Monaten an harter Arbeit auf ihn zukam, war es jetzt bereits wert. War es immer . Weil Filmemachen alles für ihn war.
Dan kam auch ohne das zurecht. Er war ein solider Handwerker. Er konnte genug Aufträge bekommen. Aber er brauchte
Dan. Er war sein bester Freund, und beste Freunde helfen einander. Lass ihn erst mal eine Nacht in seinem eigenen Bett schlafen, und dann überredest du ihn . Dan würde darüber hinwegkommen. Das tat er immer.
West Hampstead, London
16. Juni 2011, 22 Uhr
Max hielt sein Versprechen und ließ vier Kisten mit Vollspektrumlampen von einem Express-Kurier liefern. Sie kamen an, bevor Kyle zu Hause war, und seine Nachbarin Jane nahm sie für ihn an. Da er sich vorstellte, wie viel Staub, herumliegende Haare, Kratzer und Flecken in seiner Wohnung von dem extrem hellen Licht mit forensischer Genauigkeit zum Vorschein gebracht würden, ließ er die Lampen lieber unausgepackt in den Kisten im Hausflur.
Er fühlte sich ein bisschen träge mit dem ganzen Brandy, Whisky und Kuchen in seinem Magen. Um sich von seiner latenten Angst abzulenken, stellte er den Laptop auf den Schreibtisch, las sich Max’ Produktionsplan durch und machte sich weitere Notizen für die bevorstehenden Aufnahmen in Amerika. Max hatte Interviewtermine mit zwei Polizisten arrangiert, die 1975 mit der Untersuchung der tödlichen Vorfälle in der Wüste von Arizona befasst waren: Der eine war der erste Streifenpolizist, der am Ort des Blutbads in der verlassenen Kupfermine angekommen war, der andere der leitende Detective von der Mordkommission, der den Fall so lange bearbeitet hatte, bis Bruder Belial auf dem Boden der Krankenstation des Gefängnisses in Florence tot aufgefunden wurde.
Außerdem war ein Drehtermin mit dem Sohn eines Mannes anberaumt, dem eine Pferdefarm in der Nähe der Kupfermine gehörte. Und der abschließende Dreh sollte mit dem letzten überlebenden Mitglied der Sekte stattfinden, das als Erwachsene im letzten Jahr dabei gewesen war, einer Frau namens Martha Lake. Sie hatte nicht mit den Machern der vier schon existierenden Dokumentarfilme gesprochen. Die hatten lediglich Vermutungen darüber angestellt, was in der Kupfermine vor und während der »Nacht des Aufstiegs« geschehen war. Sogar Irvine Levine hatte ziemlich wilde Spekulationen darüber abgegeben, was am Schluss vorgefallen war, weshalb Kyle beschloss, sich eines eigenen Urteils zu enthalten, bis er mit allen Interviewpartnern gesprochen hatte. Max wollte nicht, dass sie Schwester Katherines ehemaliges Anwesen in San Diego filmten, in dem sie zwei Jahre lang vor der »Nacht des Aufstiegs« gewohnt hatte. In seinen Notizen stand, dass das vorhandene Bildmaterial ausreichte, womit Kyle nicht unbedingt einverstanden war. Die Zeitschrift Variety behauptete, das Haus würde jetzt von Chet Regal bewohnt, einem Hollywood-Star, der für seine Skandale bekannt und inzwischen sehr krank war, wodurch dem Anwesen
Weitere Kostenlose Bücher