Der letzte Tag: Roman (German Edition)
abgebrochen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass ich seitdem eine Menge Gutes getan habe. Um meine Schuld abzutragen. Ich glaube, das war die ganze Zeit der eigentliche Antrieb in meinem Leben als Geschäftsmann.
Den Film selbst zu machen, wäre ein großer Fehler gewesen. Meine eigene Verbitterung, meine Abneigung, meine Wut, das alles wäre überall spürbar gewesen. Sie haben recht, wenn Sie
strikte Vorgaben ablehnen. Ich brauchte also jemanden, der unabhängig und objektiv an die Sache herangeht. Der diese unglaubliche Geschichte erzählen kann, obwohl sie schon so häufig aus niederen Motiven ausgebeutet und ausgeschlachtet wurde. Wenn ich nur an diesen grauenhaften Film mit dem Titel Wüstenhure denke!«
Max sah Kyle flehend an. »Ich wollte jemanden dafür nehmen, der sich auf dem Gebiet des Okkulten auskennt. Jemanden, der sich schon mit ähnlichen Geschichten befasst hat. Der die Existenz einer parallelen Welt akzeptiert. Der versteht, dass es in der natürlichen Ordnung der Dinge Verwerfungen gibt. Meine eigene Rolle bei diesem Projekt sollte sein, dass ich als Produzent für eine möglichst effektive Organisation sorge. Dass ich die Quellen und das Material bereitstelle. Die Kontakte herstelle. Den Weg weise.
Und ich glaube immer noch, dass der eigentliche Hintergrund dieser Geschichte in Arizona zu finden ist, wo Katherine und ihre fehlgeleiteten Anhänger in der Wüste ihr Blut vergossen und damit einen bösen Geist in die Welt gesetzt haben. Das, um was es dabei tatsächlich geht, ist bislang überhaupt noch nicht ans Tageslicht gekommen. Die wahre Geschichte wurde nie erzählt. Und es ist eine wirklich außergewöhnliche Geschichte, wie Sie ja bereits durch Ihre Entdeckungen bemerkt haben. Das ist der Grund, weshalb ich Sie angewiesen habe, den Spuren paranormaler Phänomene zu folgen.« Max hielt inne und seufzte. »Denn ich habe bislang noch nicht alle Folgen von dem, was Katherine bewirkt hat, ausfindig gemacht. Um mich dem zu stellen. Sogar jetzt noch brauche ich einen Vermittler. Jemanden, der dazwischen steht, zum Schutz. Ich brauche Sie dazu, dieses Mysterium für mich zu ergründen und aufzuschlüsseln. Denn ich fürchte, dass mir die Kraft dazu fehlt.«
Iris tauchte in der Tür auf. »Sir, Ihr Taxi ist da.«
Auf der Rückfahrt von Finger Mouse, wo er das Rohmaterial abgegeben hatte, registrierte Kyle kaum, was um ihn herum vorging. Er schraubte die Flasche Jack Daniels auf und nahm einen weiteren großen Schluck. Steckte sie wieder in die Tasche. Jedes Mal, wenn er sich mit Max getroffen hatte, war er aufgedreht, ziemlich geschmeichelt und sogar merkwürdig energiegeladen. Aber dieser Zauber hielt nicht lange vor. Max war ein ziemlich guter Redner. Er argumentierte ernsthaft, und seine Hingabe hatte eine deutlich emotionale Komponente. Aber Kyle hatte dennoch die ganze Zeit das Gefühl, dass er schon wieder manipuliert worden war. Er hätte Max gern geglaubt. Weil er diesen Film ja unbedingt machen wollte. Aber vielleicht hatte Dan doch recht, und sie sollten einfach alles hinschmeißen und das Weite suchen. »Scheiß drauf«, sagte er laut. Niemand im U-Bahn-Waggon nahm ihn zur Kenntnis.
Für ihn kam es überhaupt nicht infrage, die Dreharbeiten abzubrechen, obwohl er das Gefühl hatte, dass mehr auf dem Spiel stand als nur seine Karriere und sein finanzielles und persönliches Wohlergehen. Und das gefiel ihm überhaupt nicht. Er hatte den Eindruck, er sei Gefahren ausgeliefert, die er überhaupt noch nicht erkannt hatte. Nach einer Woche Arbeit stellte er sogar seine eigene Beziehung zu dem Filmstoff infrage. Sein mehrmaliges kurzes, aber intensives Zusammentreffen mit allem, was Schwester Katherine hinterlassen hatte, hatte ihn krank, nervös und orientierungslos gemacht. Ihm war regelrecht schlecht davon geworden. Und nach zwei Interviews und Drehterminen sah die Welt nicht mehr so aus wie vorher, schien unfassbarer geworden zu sein, und überall lauerten Verrückte und grässliche Erscheinungen im Verborgenen. Auf das alles war er überhaupt nicht vorbereitet gewesen. Dass diese Dinger praktisch durch die Wand auf ihn eindrangen. Irgendetwas deckte sich da von selbst auf, das er eigentlich aufdecken sollte.
Auf dem gesamten Nachhauseweg schwankte er in Gedanken
ständig zwischen dem Aufgeben des Films und dem Drang, nach Arizona zu fliegen. Es kam ihm vor, als würde jeder Wunsch von ihm, der in Erfüllung ging, zwangsläufig eine Katastrophe nach sich ziehen, wie in W.W.
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