Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
Vom Netzwerk:
natürlich ein gewisser Kenneth-Anger-Touch à la Hollywood Babylon verliehen wurde. Aber man kann halt nicht alles haben .
    Zwei der Dokumentationen über die Sekte waren in den Siebzigern entstanden, zwei in den Achtzigern. Seit seinem ersten Zusammentreffen mit Max hatte er sie sich alle angesehen. Es waren ziemlich armselige Spielszenen mit Amateurschauspielern dabei, die alles verdarben. Und in allen Filmen waren die gleichen Ausschnitte aus den Nachrichtensendungen verarbeitet: Polizisten und Anwälte mit breiten Koteletten, nackenlangen Haaren und Pilotensonnenbrillen, die unter der grellen Wüstensonne durch die Kupfermine stapften oder das Gerichtsgebäude in Yuma betraten; schwarz-weiße Streifenwagen, die nebeneinander parkten, und Polizisten, die schmächtige Gestalten unter Wolldecken in
den Verhandlungssaal trieben; Fernsehreporterinnen in pastellfarbenen Schlaghosen und taillierten Blusen, die mit schmalen Händen riesige Mikros hielten; der Gouverneur von Arizona mit schwarz gerahmter Brille, der in den landesweiten Rundfunksendungen eine kurze Ansprache hielt; der schwitzende Polizeichef, der Untersuchungsrichter, der Staatsanwalt und die ganzen Typen aus dem Rathaus.
    Die gleichen Fotos waren im Bildteil von Levines Buch Die Letzten Tage zu sehen, Fotos, die immer wieder verwendet worden waren: Schwarz-Weiß-Bilder der jugendlichen Sektenmitglieder mit langen Haaren, perfektem Gebiss und strahlendem Lächeln, die man den Schulchroniken entnommen hatte, Abschlussfotos aus einer Zeit, als sie ihrer Zukunft noch hoffnungsfroh entgegenblickten; dann wiederum die dünnen, ausgemergelten, aus erloschenen Augen traurig dreinblickenden, teilweise auch aufsässig und erregt aussehenden Verhafteten auf den Fotos des Arizona Police Departments; Fotos, die von allen Sektenmitgliedern gemacht worden waren, die den Kult früh genug verlassen hatten, um der berüchtigten Blutnacht von 1975 zu entgehen, nun aber mit einem lebenslangen Stigma versehen waren.
    Nur eine der Dokumentationen, der Film Kinder der Bestie , war mit einem halbwegs vernünftigen Budget gedreht worden, was man daran erkennen konnte, dass einige Minuten Luftaufnahmen aus einem Hubschrauber hineingeschnitten waren. Zu sehen waren darauf die Kupfermine, das Anwesen von Schwester Katherine und die weite Sonora-Wüste, die aussah wie die vertrocknete Oberfläche eines unbewohnten Planeten. Dort waren die Sektenmitglieder herumgetollt, bevor sie dann mit Gewehren aufeinander losgingen, als alles den Bach runterging.
    Auch in diesem Film wurden ziemlich viele Gerüchte wiedergegeben, vor allem von Leuten, die nie direkt etwas mit dem Kult zu tun hatten. Drei damals bekannte Fernsehstars aus den Siebzigern
faselten etwas über Katherines Charisma, ihre Allüren, ihre frappierende Fähigkeit, anderen Leuten genau zu beschreiben, was sie gerade dachten und fühlten, während sie sich auf zweitklassigen Promi-Partys herumtrieb, in Kleidern von Chanel oder Yves Saint Laurent. Sie wusste Dinge von ihnen, die sie angeblich nie zuvor jemandem erzählt hatten … bla, bla, bla  … Dinge, derer sie sich selbst nicht einmal bewusst waren … bla, bla, bla . In allen vier Filmen wurden unbeholfene und wenig ergiebige Spekulationen über Katherines Verbindung zu Scientology angestellt, und eine Kopie des Haftbefehls gegen Katherine wegen des Betreibens eines Bordells in London in den frühen Sechzigern wurde gezeigt. Auf den durchweg reißerisch aufgemachten DVD-Hüllen war stets das berühmte Pop-Art-Porträt von Katherine zu sehen – eine Mischung aus übergewichtiger Elizabeth Taylor und rätselhafter Mona Lisa mit langen Haaren und verführerischem Lächeln –, oder sie zeigten sie als verlebte scheinheilige Heilsbringerin mit roten Augen.
    Keiner der Filmemacher hatte den Hof in Frankreich oder das Haus in der Clarendon Road aufgesucht, vermutlich weil es das schmale Budget nicht zuließ. In keinem Film wurde irgendwas über paranormale Phänomene im Zusammenhang mit der Letzten Zusammenkunft oder dem Tempel der Letzten Tage erwähnt. Nichts von dem, das er selbst beobachtet hatte. Stattdessen ergingen sich alle in Beschreibungen der Morde, des Blutvergießens, der stummen nackten Kinder und der Enthauptung der Sektenführerin. Das war drei Jahre bevor Jim Jones mit seiner ›Weißen Nacht‹ in Guayana Furore machte, in der er neunhundert seiner Anhänger mit Zyankali versetzten Fruchtsaft verabreichte.
    Als er mit der Arbeit am Skript fertig war,

Weitere Kostenlose Bücher