Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
anzurufen.
Als er den Wagen parkte, ließ er sich über die Auskunft die Nummer eines Beerdigungsinstituts im 14. Arrondissement geben. Er besprach die Modalitäten einer Erdbestattung, die seine Mutter sich gewünscht hatte, und gab der Geschäftsführerin Telefonnummer und Adresse des Pflegeheims.
Im Restaurant befanden sich nur wenige Gäste. Zum einen, weil an einem Sonnabend die Angestellten aus den umliegenden Büros als Mittagsgäste wegfielen. Zum anderen war es noch früh. Die meisten Menschen in Paris aßen nicht vor dreizehn Uhr zu Mittag.
Der Wirt begrüßte ihn freundlich und musterte ihn forschend. Er war ein Hüne von einem Mann und wirkte mit seinem schwarzen, gezwirbelten Schnauzbart, dem gelockten grauen Haarkranz und der dunkelblauen Kellermeisterschürze wie aus einem anderen Jahrhundert. LaBréa erkannte ihn sofort, während der Wirt offenbar nicht wusste, wie und wo er LaBréa hinstecken sollte.
»Irgendwie kenne ich Sie, Monsieur«, meinte er in seinem bretonischen Akzent und runzelte die Stirn.
LaBréa lächelte.
»Das letzte Mal war ich vor zwanzig Jahren hier bei Ihnen. Mit meiner Mutter, Madame LaBréa. Wir haben öfter bei ihnen gegessen.«
Das Gesicht des Wirts hellte sich auf.
»Ah, ja«, sagte er strahlend, »ich erinnere mich. Eine elegante Dame, Ihre Mutter! Und an Sie erinnere ich mich jetzt auch. Sie trugen damals ein Bärtchen, kleiner als meins.« Er lachte und reichte LaBréa die Hand. »Schön, dass Sie wieder mal vorbeischauen. Wollten Sie damals nicht zur Polizei? Hat das geklappt?«
LaBréa nickte. »Ja, das hat geklappt. Ich bin Commissaire bei der Police Judiciaire.«
Der Wirt spitzte anerkennend den Mund.
»Kompliment, Commissaire! Nicht gerade ein leichter Job heutzutage.«
»Sie sagen es.«
»Ihre Mutter ist sicher stolz auf Sie. Sie kam später immer noch regelmäßig hierher. Aber jetzt schon lange nicht mehr.«
»Sie war seit vielen Jahren krank und in einem Heim untergebracht. Und heute Morgen ist sie verstorben.«
»Das tut mir leid, Monsieur. Mein aufrichtiges Beileid.«
»Danke.« LaBréa sah sich um. »Hier hat sich nicht viel verändert. Wir hatten immer den Tisch dort hinten am Fenster. Ist der jetzt reserviert?«
»Nein, Sie können sich da hinsetzen. Erwarten Sie noch jemanden?«
»Nein. Ich bin allein und komme im Gedenken an meine Mutter. Ich hoffe, Sie haben Ihre Karte nicht gewechselt.«
Der Wirt lachte.
»Na, ein bisschen anders als vor zwanzig Jahren sieht die Karte schon aus. Aber unsere Spezialitäten kann man immer noch bestellen.«
»Wunderbar! Meine Mutter und ich hatten als Vorspeise immer die Muschelsuppe und danach die Seezunge nach Art des Hauses.«
»Können Sie alles noch haben, Monsieur. In der Küche steht heutzutage zwar nicht mehr meine Frau, sondern unser Sohn. Der hat ihre Rezepte eins zu eins übernommen. Was darf’s zu trinken sein?«
LaBréa dachte einen Moment nach, doch er erinnerte sich nicht an den Wein, den sie seinerzeit zum Essen bestellt hatten.
»Was empfehlen Sie denn?«
»Na ja, es gibt drei Möglichkeiten: einen trockenen weißen Bordeaux, einen Chablis oder einen Blanc de Tourraine.«
LaBréa entschied sich für den Blanc de Tourraine, einen seiner Lieblingsweine.
»Aber eins sage ich Ihnen gleich, Monsieur LaBréa: Das geht alles aufs Haus.«
LaBréa wollte widersprechen, doch der Wirt ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Nein, nein, da lasse ich nicht mit mir reden. Ihre Mutter war viele Jahre Stammgast bei uns, da werde ich mich doch nicht lumpen lassen und selbstverständlich dieses Erinnerungsessen übernehmen.«
Er ging in die Küche, um die Bestellung durchzugeben. Anschließend schenkte er hinterm Tresen zwei Gläser Champagner ein und kehrte zum Tisch zurück.
»Hier, bitte«, er reichte LaBréa eins der Gläser. »Zum Wohl. Auf dass Ihre Frau Mutter in Frieden ruhen möge!« Sie stießen an, und LaBréa hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Rasch trank er einen Schluck, um sich wieder in den Griff zu bekommen.
Wenig später wurde das Essen serviert. Die Muschelsuppe, mit Safran, einer Prise Piment und frischem Kerbel verfeinert, wurde mit knusprigen Käsecroutons gereicht. Zu den Seezungenfilets gab es eine Sahnesauce mit Zitronenmelisse, als Beilage ein Zucchinigratin.
Es schmeckte köstlich. Es schmeckte tatsächlich wie damals, als er mit seiner Mutter hier gespeist hatte. Einen Moment lang gab LaBréa sich der Illusion hin, die Zeit würde stillstehen, als lägen nicht
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