Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
Monsieur...«
Thibon unterbrach ihn.
»Es ist Mittagszeit, LaBréa. Ich hoffe, Sie haben einen guten Grund, mich und die Gäste, die wir heute eingeladen haben, zu stören!«
»Mord an einer alten Frau in der Rue Barbette. Sie wurde erwürgt.«
»Ja und? Deshalb rufen Sie mich an?« Thibon klang ausgesprochen ungehalten. »Haben Sie den Täter wenigstens schon?«
»Nein, bisher fehlt jede Spur. Ich wollte Sie lediglich informieren.«
»Ersparen Sie mir das beim nächsten Mal. Ein simpler Mordfall, das ist doch Ihr täglich Brot. Melden Sie sich am Montag bei mir, und da hoffe ich, dass Sie konkrete Resultate vorweisen können. Einen Erfolg, das ist es, was wir brauchen. Wie sagte doch der berühmte griechische Geschichtsschreiber Herodot? ›Der Erfolg bietet sich meist denen, die kühn handeln, nicht denen, die alles wägen und nichts wagen wollen. ‹ Merken Sie sich das, LaBréa.« Am anderen Ende der Leitung wurde aufgelegt. LaBréa spürte, wie die Wut in ihm hochkochte.
»Du blöder Hampel, dämlicher Sprücheklopfer!«, rief er laut und knallte seinerseits den Hörer auf. »Wie man es macht, ist es verkehrt!« Er hätte schwören können, dass er sich am Montag von Thibon einen Rüffel eingehandelt hätte, wenn er ihn nicht über den Mordfall unterrichtet hätte.
In dem Moment steckte Franck Zechira seinen Kopf durch die Tür. Die letzten Worte seines Chefs hatte er gehört. Er grinste und sagte: »Stress mit dem Schöngeist, Chef?«
LaBréa herrschte ihn wütend an.
»Ja, und mit Ihnen auch gleich! Wie kommen Sie dazu, sich ohne mein Wissen in die Ermittlungen um einen Skelettfund einzumischen? Sie wissen doch, dass in solch einem Fall erst einmal die Experten gefragt sind! Gerichtsmedizinische Spezialisten.«
Franck steckte die Hände in die Taschen seiner Lederjacke und setzt ein betretenes Gesicht auf.
»Normalerweise hätte ich Sie ja auch angerufen, aber in dem Fall...«, er suchte nach Worten. »... in dem Fall hätte ich das wegen Ihrer Mutter etwas pietätlos gefunden. Außerdem - ich bin sowieso zu spät gekommen. Die Kollegen von der Osteologie hatten das Skelett bereits geborgen und waren verschwunden. Ich bin ganz umsonst da hingefahren.«
LaBréa, immer noch ärgerlich, nahm am großen Konferenztisch Platz. Er wusste sehr wohl, dass seine schlechte Laune durch Thibon ausgelöst worden war und Franck nur als Blitzableiter diente. Andererseits hatte sein Mitarbeiter eine eigenmächtige Entscheidung getroffen, was ihm nicht zustand.
Claudine und Jean-Marc betraten LaBréas Büro. Der Paradiesvogel brachte eine Thermoskanne Kaffee und Pappbecher mit und stellte beides auf den Tisch. LaBrea bediente sich.
»Also, ich höre«, sagte er und nahm einen ersten Schluck, wobei er sich fast die Lippen verbrannte. »Wer fängt an?«
Franck hob lässig die Hand.
»Ich habe den stellvertretenden Leiter der Credit-Lyonnais -Filiale telefonisch erreichen können. Und zwar über den Wachdienst der Bank. Dort hatte man natürlich seine Privatnummer. Der Mann sagte mir, dass er den Kassierer anruft, der gestern am Schalter Dienst hatte. Heute Nachmittag gegen sechzehn Uhr können wir ihn in der Bank treffen.«
LaBréa nickte zufrieden.
»Sehr gut. Was haben Sie in dem Cafe herausgefunden, in dem Griseldis Geminard angeblich jeden Morgen gefrühstückt hat?«
»Da hat der Nachbar wohl übertrieben. Sie kam höchstens zweimal die Woche.«
»Allein?«
»Ja. Sie hatte ihren Stammplatz, und die Wirtin kannte sie seit Jahren. Dennoch wusste sie nicht viel über sie, abgesehen davon, dass sie Witwe war und ihre Tochter 2001 bei den Terroranschlägen in New York ums Leben kam.«
»Ungewöhnlich, dass die Wirtin nichts über sie wusste«, schaltete Jean-Marc sich ein. »Alte Menschen sind oft einsam. Und wenn sie regelmäßig ins Cafe oder Bistro gehen, reden sie normalerweise mit dem Wirt oder der Bedienung. Über ihren Alltag, ihre Krankheiten,
die Vergangenheit. Sie haben ja sonst niemanden, dem sie sich mitteilen können.«
»Ob sie niemanden hatte, sei dahingestellt«, gab LaBréa zu bedenken. »Wir stehen erst ganz am Anfang. Die Frau hat seit Jahrzehnten in derselben Wohnung gelebt. Das heißt, dass einige Nachbarn ihre Gewohnheiten und ihren Umgang gekannt haben müssen. Da sollten wir nochmal nachhaken.« Fragend blickte er Claudine an. »Was rausgefunden über die Tochter?«
»Tja, Chef«, begann Claudine, wiegte leicht den Kopf und blätterte in ihrem Notizbuch. »An der Sache ist
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