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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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Handflächen, meinem Magen, meiner Vagina. Einer der Vorkreise der Hölle im Gefängnis war das dumpfe Beharren der Lust. Ich machte es mir unter der Decke oder in der Dusche, obwohl ich mir sicher war, dass es trotz Poulsoms Beteuerungen Überwachungskameras gab. »Ich weiß«, hatte er gesagt, »dass die zunehmende Libido zu einem Problem für Sie werden wird, wenn wir ins letzte Viertel kommen.« Einen entsetzlichen Augenblick lang dachte ich schon, er würde mir seine Männer anbieten, einen Vibrator oder, Gott bewahre, sich selbst, doch dann fuhr er fort: »Bitte seien Sie versichert, Talulla, dass die Überwachung an der Tür zu Ihrem Zimmer endet. Der Raum, den Sie dort bewohnen, ist vollkommen privat, das verspreche ich Ihnen. Wir haben keinerlei Wunsch, die Sache noch schwieriger für Sie zu machen als unbedingt notwendig.« Daraus resultierte ein weiterer Vorkreis der Hölle: Ich musste versuchen, nett zu Poulsom zu sein. In Wahrheit hasste ich ihn vom ersten Augenblick an, und das wusste er, aber er wusste auch, dass ich nicht riskieren würde, ihn gegen mich aufzubringen (ich habe mal ein Interview gesehen, in dem sich eine Schauspielerin beklagte, dass Christopher Walken – oder war es James Woods – nach Formaldehyd roch oder sogar schmeckte. Das glaubte ich glatt, denn bei Poulsom war es nicht anders, diese Fischaugen und die wächserne Haut, der Teint, als hätte er sich zu lange im Neonlicht aufgehalten …).
    Der Jäger sprach in ein Kopfmikro: »Okay, alles klar. Kommt näher.« Ein gepanzerter Van kam aus einer verborgenen Lücke zwischen den Bäumen herangekrochen und hielt neben dem Wagen. Während die Sanitäter die Hecktüren des Rettungswagens schlossen und das Motorrad wieder aufrichteten, wurden Poulsom und ich zum Heck des Vans gebracht, und der Motorradfahrer öffnete die Heckklappe. Das Wageninnere wurde von einem Stahlkäfig beherrscht, der genau hineinpasste und angeschraubt war. Keine Spur von Schloss oder Schlüssel, nur eine rätselhafte Platte, die wie schwarzes Glas in einem Metallgehäuse aussah, dort wo das Schloss hätte sein sollen.
    Es blieb nicht lange ein Rätsel. Der Jäger legte seine flache Hand darauf. Mit einer Reihe von Piepsern und einem hydraulischen Hauchen sprang die Käfigtür auf.
    »Rein«, sagte der Jäger. Poulsom stieg linkisch ein und saß im nächsten Augenblick schon mit Handschellen an den Stangen gekettet am Boden. Der Motorradfahrer half mir hinein, kettete meine Handgelenke an den Käfig, löste und öffnete dann die Knöchelfesseln. »So ist es besser«, meinte er. »Dann werden Sie nicht durch die Gegend geschleudert wie ein Salat.«
    Der Jäger sprang in den Van und baute sich über Poulsom auf. Er hängte sich die Automatik über die Schulter, zog eine Pistole aus dem Seitenholster und richtete sie auf Poulsoms Kopf. »Anrufen«, sagte er.
    »Was?«
    »Rufen Sie an. Die Bullen sind hinter Ihnen her. Sie machen einen Umweg. Sie sollen auf Ihr Update warten, aber Ellis hat grünes Licht. Das ist alles.«
    »Sie werden wissen –«
    »Sie werden gar nichts wissen, ohne dass Sie eines der Alarmwörter benutzen, von denen Sie wissen, dass ich sie weiß. Haben wir uns verstanden?«
    Pause.
    »Ich werde kein zweites Mal bitten.«
    Poulsom klappte das Handy auf.
    »Ich wähle«, sagte der Jäger.
    Poulsoms Darbietung war erstaunlich überzeugend, wenn man bedenkt, dass man ihm eine Waffe an den Kopf hielt, eine Mischung aus Anspannung, Müdigkeit und Verärgerung: der entsetzlich überarbeitete Diktator im Pech, der es mit allgemeiner Inkompetenz zu tun hat.
    »Gut«, meinte der Jäger und steckte das Handy ein. Er nickte dem Motorradfahrer zu, ohne mich anzusehen. Seine Verachtung war mit Händen zu greifen. Er verachtete nicht mich persönlich, sondern alle Frauen. Vor meinem geistigen Auge tauchte ein Bild von ihm auf, wie er ein junges Mädchen würgt, während er sie missbraucht, und sein Gesichtsausdruck verrät, dass dies nicht genug war, dass nichts genug ist. Meine Nase verrät mir solche Dinge. Er wusste, dass ich es wusste, was für eine widerwärtig klaustrophobische Intimität sorgte. In dem Augenblick machte ich mir Sorgen, ich könnte vergewaltigt werden. Vergewaltigung war seine normale Vorgehensweise. Die einzigen Hindernisse waren praktischer Natur. Auch Angst war ein praktisches Hindernis. Er wusste, was ich war. Das würde ihn, so musste ich hoffen, davon abhalten. Wieder durchfuhr mich eine Welle des Hungers. Mein Gesicht brannte.

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