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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
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der Junge, in den sie so unsterblich verliebt war, am Ende dieses aberwitzigen Abenteuers wieder der große weiße Hund, den sie im Diana-Tempel gefunden hatten?
    „Ich will mich denn ein wenig niederlegen“, sagte Dorian und erhob sich schwerfällig. „Es schmerzen mich die Glieder.“
    Valentina begleitete ihn ins Wohnzimmer. Herr Bozzi folgte ihnen, Schwanz und Ohren in höchster Anspannung aufgerichtet.
    Ehe er sich hinlegte, nahm Dorian Valentinas Hand und blickte ihr in die Augen.
    „So will ich Ihnen, Liebste, anvertrauen, was meiner tapferen Mutter und der weisen Ahnin einst zu eigen war.“ Damit löste er den Liliendolch vom Gürtel und legte ihn in ihre zitternden Hände.
    Fassungslos blickte Valentina auf die Silberwaffe, die wie ein Mondstrahl glänzte. Ihre Rechte umfasste den Griff und wieder war ihr, als würden Waffe und Hand eins. Ungeahnte Kraft durchfuhr ihren Arm und das Gefühl, alles zu vermögen. Und in diesem Augenblick wusste sie, dass alles ein gutes Ende nehmen würde. Dieser Dolch bündelte die Kraft Amalias und Margaretas mit der ihren, es war dieselbe gewaltige Kraft, die größte aller Kräfte, die alles überwand. – Und wenn sie ganz allein gegen tausend Teufel kämpfen müsste …
    Phil kam herein. Mit einem Blick erfasste er die Situation.
    „Diese Wolfssache hat uns noch gefehlt.“ Er ließ sich entmutigt in einen Sessel fallen. „Jetzt kann sich Dorian nicht mal mehr mit dem Dolch verteidigen. Wenn wir doch bloß das Amulett hätten!“
    „Ich weiß nicht“, sagte Valentina leise. „Aber ich hab plötzlich das Gefühl, dass alles gut wird.“
    „Gratuliere“, sagte Phil. „Das hätt ich auch gern.“
    „Mich dünkt die Weisung nun begreiflich, lieber Freund, weshalben nur im Dreierbund die Schlacht zu gewinnen ist, mein Schicksal liegt nun ganz in Ihren Händen. Und ich vertraue gänzlich auf das Glück, das Ihnen eigen ist.“ Dorian hatte langsam und müde gesprochen, jetzt legte er sich ächzend aufs Sofa. Valentina sah ihn unglücklich an, er schien Schmerzen zu haben. Dann durchfuhr sie ein Schauer. Auf seinen schmalen Händen spross weißer Flaum. Er fing ihren entsetzten Blick auf.
    „Verzeihen Sie, mein liebstes Mademoisellchen, ich möchte gern ein wenig ruhen.“
    Sie verstand. Die Verwandlung war schmerzhaft und unangenehm, es war ihm peinlich, dabei beobachtet zu werden. Obwohl es sie große Überwindung kostete, Dorian ausgerechnet jetzt sich selbst zu überlassen, gab sie ihrem Bruder, dem die Veränderung ebenfalls nicht entgangen war, einen Wink. Herr Bozzi folgte ihrer Aufforderung mitzukommen nicht, doch schien sich Dorian nicht an ihm zu stören. Mit einer schwachen Handbewegung lud er ihn ein, aufs Sofa zu springen. Dann erst schloss er die Augen.
    Phil folgte seiner Schwester in die Diele. Mit einem bangen Blick auf die angelehnte Wohnzimmertür rollte eine Träne über ihre Wange. Er strich scheu über ihren Arm. „Na, Schwesterchen, wo bleibt dein Optimismus?“
    Valentina zwang sich ein Lächeln ab. Dann hob sie das Kinn und steckte den Liliendolch in eine Gürtelschlaufe ihrer Jeans.

K APITEL 22
    V alentina konnte sich nicht erinnern, je einen so zermürbenden Tag erlebt zu haben. Während Phil sich in seinem Zimmer am Computer ablenkte, schlich sie, von unerträglicher Unruhe beseelt, in die Küche und steckte völlig abwesend das schmutzige Geschirr zu dem sauberen Porzellan, das noch in der Spülmaschine stand. Genervt schaltete sie das Gerät gleich noch einmal an und griff nach der Zeitung, die aufgeschlagen auf dem Küchentisch lag. Unkonzentriert überschlug sie den Artikel über die kleinen Taschendiebe, der auch nicht dazu beitrug, sie auf andere Gedanken zu bringen. Von Rastlosigkeit getrieben, ging sie in die Diele und sortierte, um sich abzulenken, die Noten. Zuerst nach Komponisten, dann fand sie es besser, sie nach Klavier oder Geige zu ordnen. Am Ende stapelte sie alles wahllos auf einen großen Haufen.
    Im Kampf mit Sorge und Neugier kapitulierend, stahl sie sich schließlich auf Zehenspitzen zur Wohnzimmertür. Außer den unsteten Stößen ihres Atems war kein Laut zu hören. Ahnungsvoll äugte sie durch den Türspalt und biss sich in einem unterdrückten Schrei auf die Lippen. Das Zottelige, Weiße dort konnte nichts anderes sein, als Dorians Kopf! Es tat weh, was da vor sich ging! So weh!
    Mit hängenden Schultern schlich sie in ihr Zimmer, wo sie sich, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, aufs Bett fallen

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