Der letzte Weynfeldt (German Edition)
Zusammenrollen auf Handtaschenformat etwas zerknitterten – schwarzen Prada wieder heraus.
Weynfeldt war begeistert. Aber als die Kundin wieder in ihren eigenen Kleidern aus der Kabine kam, blieb er sitzen. »Und die anderen Sachen?«, erkundigte er sich.
Sie ließ sich die beiseitegelegten Kleider geben und führte sie, eines nach dem anderen, in ihrer etwas übertriebenen Laufsteg-Choreographie vor. Weynfeldt gefielen sie alle.
Ohne mit der Wimper zu zucken, beglich er die Rechnung von knapp zwölftausend Franken. Mit vier großen Spotlight-Tragetaschen folgte er der Rothaarigen aus dem Laden.
Melanie Gabel, die die beiden zur Tür gebracht hatte, blickte ihnen lange nach. Bei der Kasse füllte Manon den Auftrag für die Änderungsschneiderin aus. Die weiße Bluse mit der gestärkten Rüsche von Emanuel Ungaro musste in der Taille etwas eingenommen werden.
Pedroni sah der Verkäuferin über die Schulter und merkte sich die Lieferadresse.
9
Männer mit Siegelringen hielten sich für etwas Besseres. Sie sprachen schneller als andere und besaßen die wohlerzogene Überheblichkeit, die Lorena so auf den Geist ging. Die meisten von ihnen trugen Familienwappen, die sich ihre Väter oder bestenfalls Großväter beim Heraldiker hatten finden oder erfinden lassen. Aber sie trugen die Insignien, als wären sie die Abkömmlinge eines uralten Geschlechts, dessen Privileg es schon immer war, sich ohne ernste Absichten bei Mädchen aus niedrigem Stand die Hörner abzustoßen. Männer mit Siegelringen waren Muttersöhnchen. Großzügig, wenn sie dich aufgabeln, knauserig, wenn sie dich loswerden wollten.
Weynfeldt trug einen Siegelring. Lorena wusste also, worauf sie sich einließ.
Sie gingen nebeneinander durch das belebte Stadtzentrum. In der unnatürlich warmen Luft lag die Aufgeregtheit über die falschen Frühlingstage. Sie hatten sich auf kein Ziel geeinigt, Lorena wusste nicht, ob sie ihm folgte oder er ihr. Nach dem Verlassen des Spotlight, solange sie in Sichtweite der Boutiquebesitzerin waren, hatte sie sich, so gut das mit den Tragetaschen ging, bei ihm untergehakt. Aber dann hatte er begonnen, umständlich die Seiten zu wechseln, einmal rechts und dann wieder links von ihr zu gehen, bis es ihr zu blöd wurde, sich jedes Mal neu unterzuhaken. Jetzt gingen sie einfach nebeneinanderher, wie zwei Bekannte, die sich zufällig begegnet waren. Ihr Angebot, ihm wenigstens eine Tasche abzunehmen, hatte er strikt abgelehnt.
Lorena hatte sich als Erstes bei ihm bedankt, und er hatte abgewinkt. »Du hättest nicht gleich alle Kleider kaufen brauchen, das eine hätte genügt«, hatte sie hinzugefügt.
»Ich werde es mir merken.«
»Brauchst du nicht, es gibt kein nächstes Mal.« Und weil er nichts darauf erwiderte, fragte sie: »Was mach ich jetzt mit all den Kleidern?«
»Tragen. Sie stehen dir gut.«
Sie sah ihn von der Seite an. Er war älter als die Siegelringträger, die sie kannte. Aber ebenfalls mit einer Tendenz zu weichen Konturen. Er war wohl in einem langen Kampf gegen ein bisschen Übergewicht gerade mal wieder etwas zurückgefallen.
Seinem Anzug sah man an, dass er teuer gewesen war. Aber er machte es nicht so penetrant deutlich wie die Anzüge anderer Siegelringträger. Weynfeldt trug ihn mit der Selbstverständlichkeit von einem, der nie etwas anderes getragen hatte. Lorena beschloss, dass es sich bei diesem Exemplar nicht um einen der üblichen Siegelringträger handelte.
»Frag mich«, forderte sie ihn auf.
»Was soll ich fragen?«
»Warum ich es getan habe.«
»Das geht mich nichts an.«
»Jetzt schon. Jetzt, wo es dich einen Haufen Geld gekostet hat.«
»Du fragst mich ja auch nicht, warum ich es getan habe.«
»Warum hast du es getan?«
»Weil du mich darum gebeten hast.«
»Tust du alles, worum du gebeten wirst?«
»Wenn es in meiner Macht steht.«
Definitiv kein üblicher Siegelringträger.
Sie gingen durch eine Grünanlage. Ein paar Passanten waren stehengeblieben und zeigten aufgeregt auf etwas im Schatten einer Blutbuche. Kein tickender herrenloser Koffer, keine aus dem Zoo entwichene Kobra. Nur ein paar vorwitzige Krokusse und Winterlinge, die die Köpfe aus dem Humus streckten.
»Wie ist es dir seither ergangen?«
»Seit bei dir?«
»Ja.«
»Rauf und runter. Und dir?«
Adrian Weynfeldt schien zu überlegen. Schien tatsächlich ernsthaft darüber nachzudenken, wie es ihm seither ergangen war. Es dauerte eine ganze Weile, bis er die Antwort fand. Sie lautete: »Bei mir
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