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Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Der letzte Weynfeldt (German Edition)

Titel: Der letzte Weynfeldt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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fahren und war froh, dass er es mit einem schweigsamen Fahrer zu tun hatte. Er war zu höflich, um sich gegen gesprächige zur Wehr setzen zu können.
    »Hat es sich gelohnt?«, fragte Véronique zur Begrüßung.
    »Nein.«
    »Sechs Lugardons und nicht gelohnt?«
    »Ein Lugardon und fünf Nachempfundene.«
    »Tut mir leid, die Frau klang überzeugend. In Zukunft bestehe ich wieder auf Fotos.« Sie sah ihn forschend an. Als er Anstalten machte, ohne eine weitere Bemerkung in sein Büro zu gehen, fragte sie: »War das okay, dass ich dieser Lorena die Nummer vom Agustoni gegeben habe? Sie hat gesagt, es sei sehr dringend und persönlich.«
    »Das war okay, danke.«
    Er sah ihr an, dass sie gerne mehr gewusst hätte. Es gab nicht viele Frauen in Weynfeldts Leben. Als er keine weiteren Erklärungen abgab, sagte sie: »Ich gehe auf einen Sprung runter, bin gleich wieder hier.«
    »Bring mir auch etwas mit, ich habe noch nicht gegessen.«
    »Was?«
    »Das Gleiche wie du.« Er ging in sein Büro und setzte seine Arbeit am Katalog fort.
    Es verging nicht viel Zeit, bis Véronique ihm gefüllten Bambus mit süßer Pflaumensauce und mit Schweinefleisch farcierte Nudelbällchen brachte. »Das Gleiche wie ich«, sagte sie und fügte in einem seltenen Anflug von Selbstironie hinzu: »Nur weniger.«
    Rolf Strasser wollte mit Weynfeldt etwas »in Ruhe besprechen« und hatte dessen Wohnung als Treffpunkt vorgeschlagen. »Mach keine Umstände«, hatte er hinzugefügt.
    Weynfeldt machte keine Umstände. Das überließ er Frau Hauser. Sie würde das vorbereiten, was sie als »eine Winzigkeit« bezeichnete. Winzige Canapés mit Lachs, Foie gras, Roastbeef, Bündnerfleisch, Hummer, garniert mit selbstgezogenen Sprossen von Hafer, Linsen und Radieschen. Zum Dessert wieder Winzigkeiten, diesmal süße: Eclairs, Millefeuilles und das ganze Patisserie-Repertoire, alle in Puppenstubengröße.
    Weynfeldt hatte Frau Hauser im Von-der-Mühll-Zimmer aufdecken lassen. Ein kleiner Raum zum Innenhof, den er dem bemerkenswerten Lausanner Architekten gewidmet hatte. Eingerichtet war er lediglich mit einem Nussbaumensemble aus zwei ungepolsterten Sesseln und einem Tisch und einem Planschrank. Von der Mühll hatte die streng rechtwinklige Sitzgruppe als Möbel für einen Bürowarteraum entworfen. Und das im Jahre neunzehnhundertvierundzwanzig, zu einer Zeit also, als ganz Lausanne im Pariser Art déco schwelgte. Die Gruppe war eine Einzelanfertigung. Nur wenige Fachleute wussten, dass sie noch existierte, und noch weniger, dass sie sich im Besitz von Adrian Weynfeldt befand.
    An den Wänden hingen Arbeiten von Paul Zoelli. Geometrische Ölbilder aus der gleichen Zeit. Obwohl er keinen Beleg dafür hatte, war Weynfeldt überzeugt, dass sich Von der Mühll und Zoelli persönlich gekannt haben mussten.
    Der Raum war ideal für eine ungestörte Besprechung. Und die Möbel besaßen neben ihrer rigorosen Schlichtheit noch einen weiteren Vorteil: Sie waren so unbequem, dass man sicher sein konnte, dass Unterredungen auf ihnen nicht zu lange dauerten. Was in diesem Fall auch nicht nötig war. Es ging bestimmt um Geld, und Weynfeldt neigte bei diesem Thema dazu, rasch einzulenken.
    Bis zu Strassers Eintreffen hielt er sich im Arbeitszimmer auf. Durch die hohe Glasfront fiel das Licht der erhellten Bürofenster herein, die den Innenhof vier Stockwerke hoch einfassten. In einigen waren Putzequipen zu sehen, die staubsaugten, Papierkörbe leerten, Telefone abstaubten und Bildschirme sauberwischten. Hinter einem der Fenster saß eine einsame Gestalt bei der Arbeit an ihrer Karriere, hinter einem anderen war noch eine Sitzung im Gange.
    Das fahle Licht fiel auf die Bücherwand und die Staffeleien, auf denen Bilder standen. Eigene und solche, für die er Expertisen machte.
    Weynfeldt knipste einen Schalter an. Ein Spot warf seinen Kegel auf eine der Staffeleien in der Mitte des Raumes. Gelb, rot, lila, braun und hautfarben leuchtete »La Salamandre« auf, als käme das Licht aus dem Gemälde.
    Seit seinem Besuch bei Baier stand das Bild hier. Er hatte noch niemandem gesagt, dass es in die Auktion gegeben wurde. Nicht einmal Véronique. Er wusste nicht, was ihn daran hinderte, das Werk würde der Auktion einen ganz anderen Impetus geben. Aber er hatte seltsame Skrupel.
    »La Salamandre« war zwar Tausende Male reproduziert und als Poster verkauft worden, aber das Original war seit seiner Entstehung in Privatbesitz gewesen. Es war auch ein sehr privates Bild. Nicht alle

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