Der letzte Weynfeldt (German Edition)
davonkommen lassen.
Jetzt winkte sie Manon herbei, die das Drama aus der Entfernung verfolgte. Die Chefin sagte etwas zu ihr, und Manon ging wieder ab, Richtung Prada-Kleiderstange. Dort begann sie vermutlich nach dem schwarzen Kleid zu suchen. Danach ging sie in die Kabine, blieb eine Weile und kam mit leeren Händen zurück.
Für das Resultat der Suche hatte die Rothaarige nur ein Achselzucken übrig.
Die Chefin gab Manon neue Anweisungen. Diese ging zur Kasse. Wohl, um die Kundin glauben zu lassen, sie riefe die Polizei an. Was nicht geschehen würde. Melanie Gabel wollte keine Polizei im Laden, schon gar nicht während der Mittagspause.
Das schien auch die Rothaarige zu wissen, denn sie wartete gleichmütig die weiteren Ereignisse ab. Die Gabel schien jetzt am Ende ihres Lateins. Sie sah sich im Laden um, entdeckte ihn und winkte ihn herbei. Scheiße.
Er ging widerwillig die Treppe hinunter und gesellte sich zu den beiden.
»Herr Pedroni, wir haben hier ein kleines Problem. Ich habe die Dame gebeten, mir den Inhalt ihrer Tasche zu zeigen, aber sie weigert sich. Wir vermissen ein Kleid, das sie vorhin mit in die Kabine genommen hatte. Bitte versuchen Sie, sie zu überzeugen, vielleicht haben Sie mehr Glück.«
Die Rothaarige schaute Pedroni in spöttischer Erwartung an. Er fragte in väterlichem Ton: »Weshalb wollen Sie denn die Tasche nicht öffnen?«
»Weil sie dann glaubt, ich wollte das Kleid klauen.«
»Es ist also in der Handtasche?«
»Aber nicht, weil ich es klauen wollte. Ich wollte es meinem Freund zeigen.«
Melanie Gabel mischte sich ein: »Weshalb haben Sie dann die anderen nicht auch mitgenommen? Die, die Sie haben zurücklegen lassen?«
»Sie passten nicht alle in die Handtasche.«
Pedroni verbiss sich ein Grinsen. »Und jetzt? Was machen wir?«
»Glauben Sie, ich hätte es nötig, hier ein Kleid zu klauen? Mein Freund kauft mir den Laden leer, wenn ich will.«
»Das braucht er nicht«, erwiderte Melanie Gabel sarkastisch, »ich bin schon zufrieden, wenn er das Kleid bezahlt, das Sie in der Handtasche haben. Dreitausendzweihundertfünfzig. Am besten, Sie rufen ihn gleich an.«
Die Rothaarige musterte sie kühl. Dann tat sie etwas, was Pedroni umhaute: Sie öffnete ihre Handtasche. Das Kleid, eng zu einem kleinen Päckchen gerollt, war deutlich zu sehen. Sie fasste darunter, kam mit einer kleinen Brieftasche zum Vorschein, suchte ein wenig darin herum, entnahm ihr eine Visitenkarte, reichte sie der Chefin, steckte die Brieftasche wieder unter das Kleid und schloss die Tasche. »Wenn Sie vielleicht selbst anrufen wollen.«
Die Gabel war einen Moment sprachlos, nahm dann aber die Karte, las sie, schaute auf und fragte: »Adrian Weynfeldt ist Ihr Freund?«
»Ach, Sie kennen ihn?«
»Ich weiß, wer er ist.«
Sie gingen zusammen zum Telefon bei der Kasse, Melanie Gabel wählte Weynfeldts Büronummer, erhielt die Auskunft, er sei erst am Nachmittag zu erreichen, gab den Hörer an die Kundin weiter, die Weynfeldts Assistentin mitteilte, es handle sich um eine private und dringliche Angelegenheit. Sie erhielt die Nummer eines Restaurants, rief dort an, ließ den Mann ans Telefon rufen, und zehn Minuten später stand er tatsächlich im Laden.
Er sah nach Geld aus. Anzug, Hemd, Schuhe, alles Maßarbeit, dafür besaß Pedroni ein Auge. Weynfeldt war etwas außer Atem und ziemlich nervös.
Die Rothaarige empfing ihn mit einem Kuss auf den Mund, was ihn zu überraschen schien. Wenn er tatsächlich ihr Freund war, dann bestimmt noch nicht lange.
Weynfeldt begrüßte die Chefin, die ihn mit dem Respekt behandelte, den sie altem Geld zollte, und ließ sich berichten, was geschehen war. Manon und ihn selbst beachtete er nicht.
Aus dem Mund der Rothaarigen klang alles ganz einfach: Sie hatte ein paar Sachen anprobiert, einige davon beiseitelegen lassen, weil sie sie ihm zeigen wollte, und eines aus dem gleichen Grund in die Handtasche gesteckt. Beim Verlassen des Ladens hatte sie nicht mehr an das Prada in der Handtasche gedacht. Voilà tout.
Alle Anwesenden wussten, dass das gelogen war. Aber mit dem Erscheinen von Adrian Weynfeldt wurde die Geschichte zu einer jener Lügen, die man akzeptieren konnte, ohne sie zu glauben. Er zückte ohne weitere Fragen die Brieftasche und überreichte der Chefin eine Kreditkarte, ohne sie dabei anzublicken.
Aber die Kundin bestand darauf, dass er das Kleid sah. Sie nötigte ihn in einen der Ledersessel, verschwand in die Kabine und kam im – durch das
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